Beitragsbild zur Lesung mit Leopold Federmair und Sophia L Schnack im Musil-Institut

02.11.: Sophia Lunra SCHNACK und Leopold FEDERMAIR

Sophia Lunra Schnack: feuchtes holz

Leopold Federmair: Hiroshima Capriccios

Lesungen

Moderation: Nadine Hötzendorfer-Fejzuli (Otto Müller Verlag)

 

Donnerstag, 02. 11. 2023

19.30 Uhr                    

 

 

Über feuchtes holz von Sophia Lunra Schnack:

Du bist zurück am Ort deiner Kindheit. Dein erstes Laufen um den See wird zum Einlaufen in frühere Gerüche, in Gefühle von Geborgenheit, abseits von Tempo. Du bist wieder hier, stehst auf der Brücke am Ende des Sees. Das feuchte Holz trägt seinen Geruch zu dir und mit ihm die Bilder deines nicht mehr existierenden Familienhauses. Es riecht nach morschen Brettern, der regennassen Veranda, den Badeanzügen der Großmutter, dem Wetterfleck des Großvaters …

Das Gehen zu früheren und gegenwärtigen Orten rund um das ehemalige Haus verschafft dir Zutritt zu vergangenen Stimmen, Silhouetten, Berührungen – aber auch zum Verstehen. Denn du begreifst, wie nie aufgearbeitete Kriegstraumata der Familie in deinem Körper, deinen Emotionen und Denkmustern weiterwirken.

Sophia Lunra Schnacks Debütroman bewegt sich in einem zeitlosen Raum, in dem die Grenzen zwischen Erinnerung und Zukunft, Vergangenheit und ihrer gefürchteten Wiederkehr durchlässig werden. Fast märchenhaft mutet die Landschaft an, vor der rückblickend Kriegsrealitäten von Großvater und Urgroßvater erzählt werden. Der Übergang geschieht unbemerkt, elegant, harmonisch, genauso wie literarische Schranken und Genre-Grenzen sich verschieben: Prosa verwandelt sich in leichtfüßige Strophen und Verse erzählen ihre Geschichten. In der Auflösung erst entsteht der Zusammenhalt.

 

Über Hiroshima Capriccios von Leopold Federmair:

„Das neue Jahr tagt

und die Spatzen erzählen

alte Geschichtchen.“

 

Das Neue und das Alte, das Zentrum und die Peripherie; das schrille, laute, das voll Urbane und die einsamen, weitläufigen Landschaften rund um Hiroshima: Leopold Federmair begibt sich als autobiografischer Erzähler seiner „Capriccios“ gehend, mit dem Fahrrad oder dem Boot auf „Regionalreisen“. Das meist unbestimmte Ziel ist seine Stadt mit ihren Bezirken, Rändern, ihrem Außerhalb. Als „Erforscher des Unscheinbaren“ interessiert ihn das Normale und Kuriose im Alltäglichen. Das Frühere und Vergangene zu bewahren, gelingt ihm in vielfältigen Er-Gehungen, Er-Fahrungen: „In Wort und Bild rette ich dies und jenes vor dem Verschwinden.“ Der Blick des Europäers, der seit über 15 Jahren in Japan lebt, ist noch immer neu und neugierig.

Er verzichtet auf Auto und Shinkansen, seine Welt ist langsam. Er lässt sich treiben, lässt den Zufall entscheiden, nimmt Abzweigungen und unbekannte Wege. Sein Schreiben tut es ihm gleich, es ufert aus, mäandert, kehrt zurück. Der literarische Ertrag dieser kleinen Unternehmungen sind die nunmehr vorliegenden „Capriccios“ – meist leichte, auch launische Stücke in Prosa und Lyrik.

 

 

Sophia Lunra Schnack, geboren 1990, lebt und schreibt überwiegend in Wien und veröffentlichte bislang Lyrik und (lyrische) Prosa auf Deutsch und Französisch. 2022 erhielt sie den rotahorn-Literaturförderpreis. Seit 2023 leitet sie einen Lyrikblog für „Das Gedicht“ (Hg. Anton Leitner).
Leopold Federmair, geboren 1957, ist als Schriftsteller, Essayist, Kritiker und Übersetzer tätig. 2012 erhielt er den Österreichischen Staatspreis für literarische Übersetzung. Leopold Federmair lebt in Hiroshima, wo er an der Universität Deutsch unterrichtet.