Navigationen in Bildräumen. Zur Logistik digitaler Bildermengen
Digitale Bilder erscheinen raum- und ortlos: Als unsichtbare Datenströme zirkulieren sie durch weltumspannende Netze, als flüchtige Visualisierungen auf unseren Displays bleiben sie flach und nahezu immateriell. Wendet man den Blick jedoch vom Einzelbild ab und dem Umgang mit digitalen Bildermengen zu, so zeigt sich: Wo Bilder in großer Zahl aggregiert, analysiert und synthetisiert werden, werden sie auch auf spezifische Weise verortet und verräumlicht. Navigierbare Bildräume sind zu einem dominanten Modell der logistischen Erschließung großer Bilderdatenmengen geworden: In den Interface-Visualisierungen musealer Bilddatenbanken arrangieren sich Bilder unterschiedlichster Zeiten und Räume zu Landschaften, Clustern und Netzen; forensische Rekonstruktionen lokalisieren isolierte Bilder und Bildsequenzen aus verstreuten Quellen in dreidimensionalen Simulationsmodellen und betten sie so nachträglich in ein raumzeitliches Beziehungsgeflecht ein; und die neueren KI-basierten Techniken der Bildanalyse und -synthese modellieren Ähnlichkeiten visueller Muster als quantifizierbare Distanzen in abstrakten Vektorräumen. So unterschiedlich diese Beispiele auch sind, so ist ihnen doch gemeinsam, dass sie das einzelne Bild nicht mehr, wie es noch für den »Iconic Turn« selbstverständlich erschien, als isolierbares Artefakt oder singuläre Form begreifen, sondern vielmehr als diskret adressierbares Element in einem unüberschaubaren visuellen Kontinuum. Der Vortrag fragt danach, welche Konsequenzen diese Vorstellung navigierbarer Bildräume für unser Bildverständnis haben könnte – und ob nicht die Frage nach dem Bild heute neu – und vielleicht ganz anders als vor rund drei Jahrzehnten – gestellt werden muss.