Zwischen Null und Eins – Technische Ambivalenzen
Für die Keynote der Kommunikationswissenschaftlichen Tage 2023 konnten wir die Mitbegründerin und Autorin der Blogs Riesenmaschine und Techniktagebuch sowie Bachmann-Preisträgerin von 2006, Kathrin Passig, gewinnen.Zum Vortrag: Dem Digitalen wird oft unterstellt, es biete schon von der technischen Grundlage her der Ambivalenz, "den Graustufen zwischen 0 und 1", zu wenig Raum. Hinter dieser Annahme steckt auch bei Menschen, die ansonsten gegen unwissenschaftliche Verfahren protestieren würden, das in der Homöopathie beliebte Prinzip der Entsprechung: “Wie im Kleinen, so im Großen”: Weil die zugrundeliegenden Prozesse binär sind, fehle es auf den darüberliegenden Ebenen zwangsläufig an Subtilität. Aber auch der menschliche Körper übersetzt analoge Vorgänge in digitale und wieder zurück, und analoge Fotografie oder Schallplatten haben genau wie ihre digitalen Äquivalente eine Grenze der Auflösung. Außerdem wird bei diesem Vorwurf meistens “digital” mit “binär” gleichgesetzt.Historisch ist es aber gar nicht so selbstverständlich, dass die technischen Vorgänge, die heute in die Form von Nullen und Einsen gebracht werden, nicht stattdessen drei oder zehn oder sechzehn Zahlen verwenden. Warum sind diese Vorgänge eigentlich binär geworden? Aus den Gründen für die technischen Entscheidungen kann man nebenbei etwas darüber erfahren, warum Ambivalenzen zwar in der Theorie wünschenswert, aber in der Praxis oft unbeliebt sind.