Vom Krieg der Bilder zur Kunst des Handelns. Überlegungen zu einer Theorie der Bildpolitik im 21. Jahrhundert
Die kritischen Analysen der kapitalistischen Bildkultur durch Autoren der 1960er und 1970er Jahre wie Guy Debord oder Jean Baudrillard waren ihrer Zeit weit voraus. Die Allgegenwart der Warenform im »Spektakel« als dem »Kapital in einem solchen Grad der Akkumulation, daß es zum Bild wird« (Debord), der »Monolog der Macht« im Befehlston der »Semiokratie« (Baudrillard) und der bis in die kleinsten Verästelungen des Alltagslebens hineinreichende Siegeszug der Kulturindustrie als Vehikel des »kapitalistischen Realismus« (Mark Fisher) sind erst im 21. Jahrhundert zur vollen Entfaltung gekommen. Zumeist werden die Machteffekte der kapitalistischen Bildkultur dabei vor allem als Bilderkrieg ›von oben‹ beschrieben, während die Seite ›von unten‹ deutlich seltener in den Blick gerät: die widerständigen Praktiken der subversiven Aneignung, Umfunktionierung und Umschreibung bereits zirkulierender Bilder oder die Neuschöpfung von alternativen Bildwelten mit kritischem oder utopischem Potenzial, aus denen sich die unterirdische Transformationsdynamik von Gesellschaften speist. In meinem Vortrag umreiße ich ein theoretisches Modell, mit dem sich beide Seiten solcher Bilderkämpfe beschreiben und in ihren wechselseitigen Verschränkungen analysieren lassen. Neben dem Blick auf die verschiedenen taktischen Spielarten der »Kunst des Handelns« (Michel de Certeau) im Feld der Bilder rückt hierbei auch das ›Waffenarsenal‹ des gesellschaftlichen Imaginären in den Blick, auf das diese Kunst des Handelns zurückgreift: das kulturelle Bildarchiv als Material der Aneignung und Anverwandlung der Vergangenheit im Dienste der Gegenwart.