Sprachideologien: Sand und Öl im Getriebe des gesellschaftlichen Austauschs
VeranstaltungsortZoomVeranstalter Institut für KulturanalyseBeschreibungSprache ist nicht nur ein Werkzeug der Kommunikation, sie wird vielfach auch selbst zu deren Gegenstand. Manchmal mehr, manchmal weniger direkt äußern Sprecher*innen Annahmen zur Kontextangemessenheit, zum gesellschaftlichen Wert und zu den typischen Gebrauchsumständen spezifischer sprachlicher Mittel, und sie richten ihre kommunikativen Handlungen an diesen Annahmen aus. Dabei geht es nicht nur um die Mittel, die sie selbst verwenden, sondern auch um jene, die sie gerade nicht verwenden und jene, die ihr Gegenüber verwendet (oder gerade nicht). Bestimmte Formen der Kommunikation gelten demzufolge (in bestimmten Situationen bzw. gegenüber bestimmten Personen) als 'angemessener' oder 'unangemessener', 'vielversprechender' oder 'aussichtsloser', nicht selten auch als 'besser' oder 'schlechter' oder gar schlicht als 'richtig' oder '(grund-)falsch'. Die Soziolinguistik und Sprachanthropologie nennen solche Bewertungen von und Einstellungen gegenüber Sprache, Sprachgebrauchsformen und Sprecher*innen Sprachideologien (language ideologies), und sie befassen sich nunmehr seit gut vier Jahrzehnten intensiv mit ihnen. Dabei hat sich nicht nur gezeigt, dass Sprachideologien omnipräsent (in vielen Kulturen und Zeiten) sind und dass es zwischen Kulturen und in verschiedenen historischen Etappen vielfach vergleichbare, aber auch sehr unterschiedliche Ideologien gibt. Es hat sich vor allem auch mehr und mehr erwiesen, dass Sprachideologien einen wesentlichen Beitrag zur Funktionalität von Sprache in Gesellschaften liefern. Denn keineswegs sind Sprachideologien nur 'Sand im Getriebe' des gesellschaftlichen Austauschs – das sind sie zweifellos häufig auch, etwa wenn sie die Grundlage von Diskriminierung sind –, sondern sie sind auch gewissermaßen der Schmierstoff, der gesellschaftliche Kommunikation überhaupt in Gang hält: Ohne Sprachideologien wäre Kommunikation als gesellschaftliche Form des Sich-Zueinander-Verhaltens gar nicht möglich. Dieser Vortrag stellt wesentliche Theorien, Konzepte und Befunde der soziolinguistischen Sprachideologieforschung vor und begründet dabei auch die hier skizzierte gesellschaftliche (Doppel-)Wertigkeit sprachreflexiver Bewertungen und Annahmen.Vortragende(r)Univ.-Prof. Dr. Jürgen Spitzmüller (Universität Wien)KontaktJanine Schemmer (janine.schemmer@aau.at)