VeranstaltungsortStiftungssaalK.0.01 Veranstalter Institut für RomanistikBeschreibungDas Motiv des Flusses ist in allen Literaturen gegenwärtig und fungiert als Träger einer komplexen Bedeutungswelt. Einerseits erscheinen Flüsse in identitätsstiftender Funktion: sie verkörpern die „Seele“ eines Landes oder Volkes. Über Flüsse zu sprechen kommt oftmals der geographischen, soziologischen oder politischen Aufarbeitung von Geschichte gleich.Des Weiteren kann der Fluss in seiner literarischen Darstellung zum Ort (fiktiver oder nicht-fiktiver) ethnographischer Differenzierung sowie zu einer Art autonomem Territorium gemacht werden, das für das literarische Werk zum Spiegel seiner eigenen Autonomie werden kann.Doch der Fluss ist nicht allein zivilisationsstiftend, sondern auch Ort der Menschwerdung, was vor allem auf den biblischen Mythos von der Erschaffung des Menschen aus Lehm zurückgeht. Der Fluss verweist somit in entgegensetzte zeitliche Richtungen: Er wird mit dem Ursprung des Menschen assoziiert, weist den Menschen aber auch auf seine Zukunft hin: Sein unaufhaltbarer Verlauf und sein Gefälle evozieren verschiedenste Vorstellungswelten von Schicksalshaftigkeit, Initiation und Progression. Er repräsentiert den Kreislauf von Geburt und Tod, Anfang und Ende.Den identitätsstiftenden und anthropogenetischen Aspekten des Flusses steht eine gegenteilige Bedeutung gegenüber, wenn er die Auflösung von Identitäten versinnbildlicht. Flüsse sind auch Orte der Migration, der Vermischung und des Austausches, sie werden zum Sinnbild der Unbeständigkeit.Abseits des Flusses als literarisiertem Raum und mit ihm verbundener Themenkreise wie Anthropogenese, soziale Identität oder Individuation wird seine Bildhaftigkeit auch auf metaliterarischer Ebene produktiv: als metatextuelle Metapher finden wir ihn im Französischen in Gattungsbezeichnungen wie dem „roman-fleuve“ und dem „poème-fleuve“, auf deren Ausmaß, Dynamik, Progression, aber auch lose Kohärenz er verweist.In diesem thematischen Rahmen bewegen sich die Beiträge zum Kolloquium, das eine bereits langjäKontaktDr. Martina Meidl (martina.meidl@aau.at)