Klimawandel als Wanderungsmotiv?

Der Klimawandel bringt es mit sich: In manchen Gegenden der Welt wird es für den Menschen zu heiß, zu trocken oder zu feucht, um zu leben. Klimawandelbedingte Migration ist ein relativ neues Phänomen, das GeographInnen unter die Lupe nehmen.

Am 20. Juni ist Weltflüchtlingstag: Weltweit flüchten Menschen vorwiegend aus politischen und wirtschaftlichen Gründen in vor Krieg und Hunger sicherere Regionen. Relativ neu wird in den Medien, in der Politik und in der Wirtschaft die klimabedingte Migration thematisiert. „Für manche ist sie längst Realität, für andere ein hypothetisches Problem, für wieder andere Unsinn, Hirngespinst und Tatsachenverdrehung. Wie in früheren Debatten geht es dabei im Kern um die Frage, ob und wie Wanderungsentscheidungen durch Faktoren der Umwelt beeinflusst oder gar determiniert werden“, so der in Osnabrück tätige Geograph und Ethnologe Carsten Felgentreff. Die Vorstellung, dass menschliche Handlungen direkte Folgen einer als Ursache gedachten naturräumlichen Ausstattung seien, galt lange als überwunden bzw. als altmodisch, im Zuge der aktuellen Klimawandeldebatte hat diese (klima- oder umweltdeterministische) Denkfigur jedoch eine bemerkenswerte Renaissance erlebt. Felgentreff hält am Donnerstag, 13. Juni 2013 um 17:00 Uhr im Stiftungssaal (K.0.01) der Alpen-Adria-Universität in der Reihe wiwi-Aktuell einen Vortrag zu diesem Thema. Laut ihm ist die Debatte zu dieser Frage in wesentlichen Aspekten untertheorisiert und zugleich überpolitisiert. Vereinfachende Kausalmodelle seien aber nicht nur eingängig und plakativ, sondern durchaus geeignet, Aufmerksamkeit und unter Umständen auch politischen Handlungsdruck zu erzeugen, insbesondere dann, wenn es darum geht, „auf humanitäre Missstände hinzuweisen und auf deren Beseitigung zu drängen.“

Carsten Felgentreff forscht auch gemeinsam mit dem Geographen Philipp Aufenvenne (Institut für Geographie und Regionalforschung an der Alpen-Adria-Universität). Jüngst wurden zwei gemeinsame Publikationen fertiggestellt, bei denen die Forscher zu dem Ergebnis kommen, dass bereits die Definitionen von Umwelt- und Klimaflüchtlingen problematisch sind: „Es ist schwierig, ja in den meisten Fällen kaum leistbar, Umweltmigration empirisch zu identifizieren. Es ist nicht nur schwer zu sagen, ob Umwelt und Klima für Migration verantwortlich sind, sondern auch eine Bezifferung ist nahezu unmöglich.“ Laut den beiden Geographen sei es aber nicht nur akademisch erforderlich, die Begriffe zu klären: „Es geht nicht zuletzt um die Unterscheidung zwischen Flüchtling und Migrant, zwischen Zwangslage und Freiwilligkeit. Wir verweisen auch auf die aktuellen Debatten um die Anerkennung von Klima- bzw. Umweltveränderungen als Fluchtgrund.“ Aufenvenne und Felgentreff konstatieren, dass sich die Fürsprecher mehren, „die schwindende Lebensgrundlagen im Zusammenhang mit Umweltdegradation als ernstzunehmenden und akzeptablen Auslöser von Migration betrachten. Viele Umweltveränderungen stehen im Gefolge des Klimawandels, der meist dem Lebenswandel des globalen Nordens zugerechnet wird. Mögliche zukünftige Flüchtlinge sind aber weniger die Immobilienbesitzer auf Sylt als die Menschen in den Wüsten Afrikas und in den Küstenniederungen von Bangladesch.“

 

Philipp Aufenvenne | Foto: aau/KK

Philipp Aufenvenne | Foto: aau/KK

 

Carsten Felgentreff | Foto: aau/KK

Carsten Felgentreff | Foto: aau/KK