Zum Bachmannpreis
Leserbrief des Rektorats der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt zur vom ORF-Stiftungsrat angedachten Einstellung des Bachmann-Preises, erschienen unter der Rubrik „Debatte“ in der Kleinen Zeitung vom Samstag, dem 29. Juni 2013 auf Seite 81.
„Im ersten Jahr war er ein Experiment, im zweiten Tradition, im dritten ist er eine Institution“, so beschrieb 1979 der österreichische Schriftsteller (und Juror) Hans Weigel den Ingeborg-Bachmann-Preis. Diese Institution ist in 37 Jahren gewachsen, hat sich ausgebreitet (Fernsehen, Internet), ist lebendig geblieben. Der Begriff „Institution“ hat lateinische Wurzeln (lat. institutio) und trifft den Kern der Sache ganz gut, weit besser jedenfalls als „Quote“ oder „380.000 Euro“.
Der IBP ist eine „Einrichtung“ (lat. institutio) zur Vergabe eines der bedeutendsten Literaturpreise des deutschen Sprachraums, bei dem neben Preisgeld vor allem Aufmerksamkeit, mediale Aufmerksamkeit, vergeben wird. Wer soll für größtmögliche Aufmerksamkeit sorgen, wenn nicht das bedeutendste Medium des Landes, der ORF, dessen Mitarbeiter die Veranstaltung (mit)erfunden haben? Das Credo der Begründer – „der Literatur eine Öffentlichkeit verschaffen und der Öffentlichkeit zur Literatur verhelfen“ – gilt noch immer, gilt mehr denn je – für beide Seiten: für die Literatur (Autorinnen und Autoren) und die Öffentlichkeit (also uns, offline und online).
Der IBP bietet die bestmögliche „Anleitung“ (lat. institutio) zur Auseinandersetzung mit und über literarische Texte. Hier lernt man von einer Jury, was Literaturkritik, was jede Form der Kritik, eigentlich ausmacht: den Wettkampf der Argumente, die mit Witz und Verstand geführte Debatte, das gelehrte Gespräch. Wer ein Urteil fällt über einen Text, und das muss ein Jurymitglied, sieht sich einem Publikum gegenüber, das sich selbst ein Urteil bilden kann. Im Gegensatz zu jeder anderen Form der Literaturkritik kennt das Publikum den kritisierten Text aus eigener Anschauung und Anhörung. Diese Demonstration eines im besten Sinne aufgeklärten Bewußtseins hat die Institution Bachmann-Preis ins 21. Jahrhundert getragen. Das will man abschaffen?
Der IBP bietet literarische „Erziehung“ (lat. institutio) wie es keine Schule, keine Universität zu bieten vermag. Jedes Jahr sind Schüler- und Studentengruppen aus Kärntner Schulen und von Universitäten aus dem ganzen deutschen Sprachraum zu Gast, sie lernen Autorinnen und Autoren kennen, beteiligen sich an begleitenden Literaturprojekten, erforschen via teilnehmender Beobachtung den Literaturbetrieb. Das ist literarischer und soziologischer Anschauungs- und Mitmachunterricht (Publikumsvoting!) im besten Sinne. Der IBP erfüllt den Kultur- und Bildungsauftrag des ORF und die literarische Nahversorgung der Landeshauptstadt Klagenfurt (von Umwegrentabilität, Nächtigungzahlen und Werbewert sei hier mit Absicht nicht die Rede). Und der IBP füllt an jedem Lesetag das reale ORF-Theater und den virtuellen Lesesaal in TV und Internet mit mehr Leuten als das Klagenfurter Fußballstadion umfasst – und kostet weniger.
Wie formulierte unlängst der Autor und Essayist Karl-Markus Gauss im Standard: „Wo die Dummheit zum Bildungsideal geworden ist, da hat es die Literatur schwer. Als Gegengift gegen das zwanghafte Nützlichkeitsdenken unserer Zeit ist und bleibt sie aber unabdingbar.“ Der Bachmann-Preis auch, er ist eine Institution und soll es bleiben.
Das Rektorat der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
(namens der gesamten Universität)