Iwein-Fragmente
Iwein im Kampf mit Gawein (Princeton University Library, Garrett MS. 125; um 1295)
Iwein: Der Text
Iwein ist ein deutschsprachiger Artusroman von Harmann von Aue, welcher im Mittelalter weit verbreitet war. Hartmann von Aue übertrug und bearbeitete den Roman in den 1180er Jahren. Er übernahm dabei den Stoff aus einer französischen, von Chrétien de Troyes stammenden Vorlage (Yvain ou Le Chevalier au lion).
Iwein, ein junger Ritter, erfährt am Hof von König Artus, von einem Verwandten von einer Aventiure, die jener nicht bestehen konnte . Daraufhin zieht Iwein heimlich aus, um dem Königshof zuvorzukommen. Er selbst möchte diese Aventiure bestehen, um einerseits seinen Verwandten zu rächen und andererseits selbst Ruhm und Ehre zu erlangen. Es gelingt ihm, die Aventiure zu bestehen und dabei auch noch Laudine, die Frau seines toten Gegners, zu ehelichen. Als der Königshof das junge Paar besuchen kommt, wird Iwein von anderen Rittern darauf aufmerksam gemacht, dass er Gefahr läuft, sich dem müßigen Leben hinzugeben und seine Tugendhaftigkeit zu verlieren, woraufhin der sich von Laudine eine Auszeit erbittet, um auf Aventiure zu gehen. Sie gewährt ihm die Auszeit, weist aber darauf hin, dass, wenn er zu spät heimkehrt, er ihre Sicherheit und ihren Besitz aufs Spiel setzen würde. Selbstverständlich kehrt er zu spät nach Hause, Laudine verstößt ihn und er verfällt dem Wahnsinn. Um seine Ehrenhaftigkeit wieder herzustellen, muss Iwein einen Zyklus von zwei mal drei Aventiuren bestehen, wobei er sein Mitgefühl und seine Großherzigkeit für andere Menschen beweisen soll. Am Ende hat er seine Ehre wieder hergestellt, wird am Artushof empfangen und wird auch von Laudine wieder willkommen geheißen.
Iwein-Fragmente (UB, PE 63, 2v)
Die Iwein-Fragmente aus Klagenfurt (UB, PE 63)
Ende der 1970er Jahre arbeitete Peter Hans Pascher an der Zusammenstellung eines Inkunablen-Kataloges über die Bestände der Universitätsbibliothek Klagenfurt. Dabei entdeckte er im Buchrücken des Frühdrucks FD II 10022 (Corona Beatae Mariae Virginis, Lyon: Jacobus Pedemontanus 8. August 1509) Fragmente von zwei Blättern einer Pergamenthandschrift. Der Frühdruck stammte, wie der Besitzvermerk der Jesuiten zeigt, aus dem Kloster Millstatt und dürfte in der Zeit der Georgsritter nach Millstatt gekommen sein. Im Zuge der Restaurierung des Frühdrucks in der Restaurierwerkstätte der Österreichischen Nationalbibliothek Anfang der 1980er Jahre wurden die acht Pergamentfragmente aus dem Buchrücken herausgelöst und der Universitätsbibliothek Klagenfurt übergeben. Unter der Signatur PE 63 werden die Fragmente nunmehr in einer Fragmentenmappe aufbewahrt.
Hans Gröchenig beschäftigte sich 1983 mit den Fragmenten und kam zu folgendem Schluss: Aufgrund der Fragmentgrößen konnte er berechnen, dass das ursprüngliche Pergamentblatt eine Blattgröße von ca. 270 x 185 mm aufgewiesen hat. Für den Schriftraum vermerkt er die Abmessungen ca. 200 x 135 mm mit 34 Zeilen, angeordnet in zwei Spalten. Die Schrift ist eine Textualis, die im 1. Viertel des 14. Jahrhunderts zu verorten ist. Als Schriftsprache konnte Gröchenig Mitteldeutsch feststellen.
Iwein-Fragmente aus der Stiftsbibliothek Schlägl (ohne Signatur, 1r)
Die Iwein-Fragmente aus Schlägl (Stiftsbibliothek Schlägl, ohne Signatur)
In der Stiftsbibliothek des Prämonstratenserstifts Schlägl befinden sich ebenfalls acht Pergamentfragmente ohne Signatur, welche, wie Christine Glassner 2010 in einer Veröffentlichung anmerkte, jenen in Klagenfurt frappierend ähneln. Ein Abgleich mit den digitalisierten Aufnahmen der Klagenfurter Fragmente ergab einen erstaunlichen Befund. Die Fragmente aus Klagenfurt und Schlägl stammen nicht nur aus demselben Kodex, sondern vom selben Pergamentblatt. Aus welchem Band die Schlägler Fragmente ausgelöst wurden, konnte nicht mehr eruiert werden, dazu wurden keine Aufzeichnungen geführt.
Abb. 4: Virtuelles Zusammenfügen der Fragmente aus Klagenfurt und Schlägl (Universitätsbibliothek Klagenfurt, PE 63, 2v + Stiftsbibliothek Schlägl, ohne Signatur, 2v)
Das virtuelle Puzzle
Auf der Homepage des Projekts Iwein – digital der Universitätsbibliothek Heidelberg in Zusammenarbeit mit der Universität Santiago de Compostela wurden die Fragmente aus Klagenfurt und Schlägl wie bei einem Puzzle im virtuellen Raum zusammengesetzt. Es fehlen noch Fragmente, um das ursprüngliche Blatt wieder ganz zusammenzusetzen.
Christine Glaser geht davon aus, dass das ursprüngliche Blatt in 20 Teile zu je ca. 50 x 35 mm zerschnitten wurde und diese Teile dann in einer Buchbinderei zur Verstärkung in den Buchrücken der neu gebundenen Bücher eingeklebt wurden.
Textidentifikation anhand eines Namens (Iwein-Fragmente, Universitätsbibliothek Klagenfurt, PE 63, Ausschnitt von 1r)
Textidentifikation
Obwohl die Fragmente zum Teil sehr schlecht erhalten sind und die Schrift abschnittsweise abgeschabt bzw. schwer leserlich ist, konnte der Text eindeutig identifiziert werden. Auf Blatt 1r (1. Fragment in der unteren Reihe, 2. Wort in Zeile 5) ist der Name „Laudine“ vermerkt, der vollständige Vers lautet „Vrou laudine hies si[n wip]“. Es gibt nur einen einzigen Helden im mittelhochdeutschen Versroman, dessen Ehefrau Laudine heißt, nämlich Iwein.
Transkription, Übersetzung und Überlieferung
Aufgrund des Zustands der Fragmente ist eine Transkription vollständiger Verse unmöglich. Um den Besucher:innen dieser Ausstellung einen vollständigen und verständlichen Text zu präsentieren wird bei der Abbildung des Textes zu einem kleinen Trick gegriffen.
Der rote Text ist die Transkription der Klagenfurter Iwein-Fragmente nach Hans Gröchenig, ergänzt zu vollständigen Versen wird dieser durch die Edition nach Volker Mertens, von welchem auch die Übersetzung stammt.
Insgesamt gibt es 34 derzeit bekannte Textzeugen des Iwein, davon sind 16 als vollständige Texte überliefert. Die Universitätsbibliothek Klagenfurt besitzt eines von 18 erhaltenen Fragmenten.
Die überlieferten Textzeugen werden in einem Siglensystem (A-Z) gelistet. Die acht Pergamentblattteile aus Klagenfurt werden gemeinsam mit den acht aus Schlägl in der Iwein-Überlieferung unter der Sigle X2 geführt.
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