Können Videospiele Weisheit fördern?
In Videospielen treffen Menschen Entscheidungen und sammeln Erfahrungen, die ihnen das reale Leben oft nicht ermöglicht. Das vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF geförderte Forschungsprojekt mit dem Titel „GameWise: Förderung von Weisheit durch Videospiele“ möchte Erkenntnisse darüber gewinnen, inwieweit diese virtuellen Erlebnisse dazu beitragen können, weisheitsbezogene Fähigkeiten zu entwickeln. Das Projekt startet im Oktober 2024.
„Die Bewältigung der Krisen, mit denen die Menschheit aktuell konfrontiert sind, erfordert weises Denken und Handeln. Aktuelle Bildungssysteme sind allerdings eher auf die Vermittlung von Wissen und Denken fokussiert; Aspekte weisen Problemlösens wie der Umgang mit schwierigen Konflikten oder komplexen moralischen Entscheidungen stehen nicht im Vordergrund“, so Judith Glück, Professorin am Institut für Psychologie, die das Projekt GameWise leitet. Die Grundidee des Forschungsvorhabens setzt auf ein neues Feld: Die Forscher:innen nehmen an, dass Videospiele einen neuartigen und attraktiven Ansatz zur Förderung von Weisheit darstellen könnten.
Viele aktuelle Videospiele versetzen die Spieler:innen in schwierige Lebenssituationen und -entscheidungen (weit über die Erfahrungen hinaus, die sie in ihrem eigenen Leben machen können) und ermöglichen es ihnen, bisher unbekannte Perspektiven einzunehmen und über existenzielle Fragen nachzudenken. Können Menschen weisheitsrelevante Erkenntnisse und Fertigkeiten durch Videospiele erlangen und diese dann auch im wirklichen Leben nutzen? Die Forschung zeigt, dass Weisheit am besten durch Interventionen gesteigert werden kann, die kontextualisiert, emotional intensiv und persönlich bedeutsam sind. Judith Glück erklärt: „Dieses Forschungsprojekt geht von der Hypothese aus, dass Erfahrungen in Videospielen ausreichend intensiv und bedeutsam sein können, um Weisheitsfähigkeiten und -ressourcen auch für das wirkliche Leben zu fördern.“ In einer Pilotstudie hat Imke Alenka Harbig, Mitarbeiterin im Wisdom Lab an der Universität Klagenfurt, herausgefunden, dass viele Menschen berichten, durch Videospiele wichtige Erkenntnisse über sich selbst, zwischenmenschliche Beziehungen oder das Leben im Allgemeinen gewonnen zu haben.
In einer interdisziplinären Zusammenarbeit von Forscher:innen aus den Bereichen Weisheitspsychologie und Game Studies & Engineering untersucht das geförderte Projekt, ob Videospiele (a) zu einem breiten Spektrum an weisheitsrelevanten Einsichten über das Leben führen können, (b) kurzfristig vorhandene weisheitsrelevante Qualitäten aktivieren können und (c) weisheitsbezogene Qualitäten nachhaltig steigern können.
Studie 1 ist eine umfassende Umfrage zu Lebenseinsichten, die Menschen aus Videospielen gewonnen haben, wobei die Einsichten auch mit relevanten Charakteristika der Spieler:innen und Spiele in Verbindung gesetzt werden. Studie 2 untersucht das Potential kurzer Videospiele, von denen ein Teil in einem „Game Jam“ innerhalb des Projektkontexts entwickelt wird, zur kurzfristigen Aktivierung vorhandener Weisheitskapazitäten wie Offenheit, Mitgefühl oder Selbstreflexion. Studie 3 untersucht, ob das Spielen kommerziell erhältlicher umfangreicher Videospiele mit relevantem Inhalt zu langfristigen und auch ins „wirkliche Leben“ übertragbaren Steigerungen weisheitsbezogener Kapazitäten führen kann.
Zusammenfassend untersucht das Projekt, ob Videospiele einen neuen, attraktiven Zugang zur Förderung von Weisheit bei einem breiten und diversen Publikum darstellen können – „ein wichtiges Ziel in einer Zeit, in der andere Medien durch Polarisierung und Radikalisierung manchmal eher ‚Unweisheit‘ fördern“, wie Judith Glück betont.