Eyetracking: Die Rolle von Blickverhalten in der Interaktion – Weil Sprache mehr ist als Wörter und Buchstaben
Wo schauen wir genau hin, während wir sprechen bzw. zuhören? Welche Rolle spielt unser Blickverhalten für den Ablauf der Interaktion? Im Sommersemester 2024 stand am Institut für Germanistik das Blickverhalten bei der Interaktion zwischen Menschen und Objekten im Mittelpunkt. Im Methodenseminar Eyetracking: Die Rolle von Blickverhalten in der Interaktion unter Steven Schoonjans wurden Experimente durchgeführt, um herauszufinden, welche Zusammenhänge zwischen der Gestik, dem Blickverhalten und der Sprache existieren.
Dazu schwärmten die Studierenden paarweise mit Eye-Tracking-Brillen ausgestattet im Museum Moderner Kunst Kärnten aus. Ziel war es, dass die Studierenden das Museum besuchen, gemeinsam die Kunstwerke betrachten und sich darüber austauschen. Damit haben Steven Schoonjans und Geert Brône von der belgischen Universität Leuven eine Forschungsnische getroffen: „Bis dato gibt es kaum Forschung zu Blickverhalten in der Interaktion außerhalb des Laborkontextes, zum Beispiel im Museumssetting.“ Durch die Aufzeichnung der Eye-Tracking-Brillen sammelten die Studierenden Erkenntnisse über ihr eigenes Blickmuster – sowohl in der Interaktion mit den anderen Studierenden als auch mit den Objekten.
Welche Teile eines Bildes, Gemäldes oder Kunstwerks werden genau betrachtet? Wie können durch das Blickverhalten Hervorhebungen stattfinden, wie das Rederecht verteilt werden? Germanistik-Studierende Stella Christl dazu: „Besonders faszinierend fand ich die Rolle des Blickverhaltens in der Praxis, wie Menschen Blickverhalten bewusst oder unbewusst nutzen, um eine Konversation zu steuern. Beispielsweise fokussieren wir uns am Ende einer sprachlichen Äußerung auf jene Person, der wir das Rederecht übertragen wollen, oder blicken in den Hintergrund, um zu signalisieren, dass wir eben dieses Rederecht noch weiter behalten möchten.“
Die praktische Anwendbarkeit hat für Schoonjans einen zentralen Stellenwert in den Lehrveranstaltungen: „Es ist für die Studierenden spannend, selbst praktisch zu arbeiten, Knowhow für Methoden zu erlernen und Projekte umzusetzen. Des Weiteren bietet das Experiment aber auch die Möglichkeit, sich mit der Sprachwissenschaft aus anderen Blickwinkeln zu beschäftigen. Gestik, Blickverhalten, Intonation – all das ist unbewusst hochgradig systematisch und trägt maßgeblich zur Kommunikation bei. Kurz gesagt, die Sprache ist weit mehr als Wörter und Buchstaben.“
Studentin Jasmin Otto: „Dieses Seminar zeigt, dass das Studium der Germanistik unheimlich vielseitig und spannend sein kann. Wer sich sorgt, nur Texte exzerpieren und klassische Literatur lesen zu müssen, dem kann ich eine deutliche Absage erteilen. Es gibt sehr viele verschiedene Möglichkeiten, in denen die deutsche Sprache zu erforschen und im Lebensalltag einzusetzen ist.“
Das Methodenseminar soll den Beginn eines gemeinsamen Forschungsprojekts zwischen der Universität Klagenfurt und der KU Leuven darstellen: „Wir wollen zukünftig länderübergreifend am Blickverhalten in diesem Kontext forschen“, so Schoonjans.