Online-Reihe CAREseiten zeigen: „Men in Care: Vater sein ist nicht schwer?!“
… oder: Aktive Vaterschaft braut Strukturen, die sie ermöglicht.
Am 29. November fand die vierte Veranstaltung der Online-Reihe CAREseiten zeigen des universitätsübergreifenden Netzwerks UniKid-UniCare Austria statt. Unter dem Titel „Men in care: Vater sein ist nicht schwer?!“ führte Dr. Erich Lehner, Psychotherapeut und Männlichkeitsforscher, die knapp 90 Teilnehmenden aus allen Bundesländern durch dieses brisante Thema. Auch diesmal wurde die Veranstaltung in Österreichische Gebärdensprache gedolmetscht.
Zunächst beleuchtete der Referent in einem geschichtlichen Abriss die Entwicklung von Männlichkeits- und Vaterschaftsbildern und formulierte eine ermutigende Botschaft an die Männer: „Eine tragfähige Bindungsbeziehung zum Kind stellt sich unabhängig vom Geschlecht der betreuenden Person ein“. Eine positiv erlebte Elternschaft hätte viel mehr mit der „Quantität der Kontakte“ zu tun, als mit dem oft zitierten „Mütterinstinkt“.
Er führte aus, dass sich das traditionelle Bild der „Business Masculinity“ konsequent durch die Epochen ziehe, und obwohl Astrid Lindgren kurz vor ihrem Tod feststellte, dass im Laufe des 20. Jahrhunderts „die Männer zu Vätern“ geworden seien, bliebe, wie der Experte ausführte, „sorgende Männlichkeit“ in Österreich die Ausnahme. Nur eine Minderheit widmet sich konkret der Betreuung von Kindern oder der Pflege der Eltern.
Dass die Bereitschaft zu familienbedingten Auszeiten bei Männern zunimmt, bestätigte auch die kurze anonyme Live-Umfrage gleich zu Beginn der Veranstaltung, in der alle männlichen Teilnehmer angaben, dass sie bereit wären, in Elternkarenz zu gehen. Genau diese Diskrepanz zwischen Bereitschaft und tatsächlichem Handeln beleuchtete Erich Lehner eindrücklich in seinem Vortrag. Er fordert konsequent im Sinne der Ermöglichung einer „sorgeorientierten Männlichkeit“ ein Aktivwerden auf drei Ebenen ein: Während es auf der Mikroebene Familie vor allem um ein partnerschaftsgerechtes Aushandeln und Aufteilen der Sorgearbeit gehe, brauche es auf der Makroebene eine Politik mit klaren gesetzlichen Regelungen zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit. „Die größten Stolpersteine“ sieht Erich Lehner auf der Ebene der Unternehmen, deren Aufgabe es sei, ihre männliche Belegschaft proaktiv zur Familienarbeit zu ermutigen, etwa durch die Schulung von Führungskräften oder ein aktives Karenzmanagement.
Nach den sehr interessanten Ausführungen beantwortete der Experte viele Fragen aus dem Publikum und betonte im Rahmen des regen Austausches immer wieder, wie stark das Bild des „unabkömmlichen Mannes“ in der Wirtschaft noch vorherrsche, obwohl es seit Beginn der Pandemie wenigstens in Ansätzen „ein Ohr“ dafür gäbe, dass es neben der Arbeit auch ein Privatleben gibt. Er merkt an, dass die skandinavischen Länder wie Schweden als Vorbild fungieren, da diese, im Gegensatz zu Österreich, im Sinne einer klaren „evidence-based decision“ die aus Studien gewonnenen Erkenntnisse konsequenter in aktives Handeln umsetzten.
Im Rahmen der abschließenden Mentimeter-Umfrage gaben die Teilnehmenden sehr positive Rückmeldungen zum Vortrag und artikulierten u.a. den Wunsch, vertiefende Folgeveranstaltungen zum Thema besuchen zu wollen.
Die Präsentation von Erich Lehner finden Sie hier.