Realistische Wirtschaftsakteure modellieren
Paolo Pellizzari und Friederike Wall möchten in einem neuen Forschungsprojekt die Basis für ein einheitliches Modell der informationsbasierten Entscheidung von begrenzt rationalen Wirtschaftsakteuren schaffen. Mit dem Projekt will das Forschungsteam zur Weiterentwicklung der agent-based computational economics (ACE) beitragen. Gleichzeitig bauen die beiden Forscher*innen damit ihre langjährige Kooperation im Rahmen der Strategischen Partnerschaft zwischen der Università Ca‘ Foscari und der Universität Klagenfurt aus.
Traditionelle ökonomische Denkschulen gehen davon aus, dass ökonomische Akteure ideal im Sinne perfekter Rationalität handeln. In den so genannten agent-based computational economics (ACE) verfügen die Agenten hingegen nicht notwendigerweise über perfekte Rationalität. Mit diesem Ansatz gelingt es daher, weniger „begabte“ und damit realistischere Akteure zu erfassen. Diese Akteure zeichnet unter anderem eine begrenzte Gedächtnis- und Informationsverarbeitungskapazität aus. Gleichzeitig verursacht das Sammeln und Verarbeiten von Informationen in der Regel Kosten, die bei begrenzter Rationalität jedoch nicht Eingang in ein mathematisches Optimierungskalkül finden. Die agentenbasierte Modellierung und Simulation soll damit einen realitätsnäheren Einblick in wirtschaftliche Prozesse ermöglichen.
Die Modellierung und Simulation mit diesen nicht-perfekten Akteuren ist jedoch deutlich komplexer. „Es gibt einen Weg, rational zu sein, aber viele Wege, von der Rationalität abzuweichen“, zitiert Friederike Wall (Professorin an der Abteilung für Controlling und Strategische Unternehmensführung) den US-amerikanischen Forscher Robert Axtell. Während für die so genannten „Zero-Intelligence-Agenten“ bereits eine überraschend hohe Vorhersagekraft für Finanzmärkte erreicht werden konnte, ist es schwierig, in den entsprechenden agentenbasierten Modellen die Intelligenz eines Agenten so zu erweitern, dass die Entscheidungen mit einer Raffinesse getroffen werden, wie sie bei Menschen üblich sind. Im Zentrum der Kritik an der agentenbasierten Simulation steht die mögliche Willkür bei der Modellierung begrenzt rationaler Akteure.
In einem gemeinsamen Forschungsprojekt wollen nun Friederike Wall und Paolo Pellizzari (Professor für Mathematik der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Università Ca’Foscari Venedig) Grundlagen für ein vereinheitlichendes Modell derjenigen Entscheidungen begrenzt rationaler Wirtschaftsakteure schaffen, die sich unmittelbar auf die (eingeschränkten) Informationen selbst beziehen. Im Fokus wird dabei die Nutzung (oder Nichtnutzung) so genannter „verrauschter“ Informationen oder die kostspielige Beschaffung (oder Nichtbeschaffung) von zusätzlichen Informationen stehen.
Das Projekt baut auf eine mehrjährige Zusammenarbeit zwischen Friederike Wall und Paolo Pellizzari auf. Im Frühjahr und Frühsommer 2023 sollen weitere wechselseitige Forschungsaufenthalte in Venedig und Klagenfurt folgen.