Rolle der Medien für Erfolg von Impfkampagnen entscheidend
Entscheidet man sich gegen eine bestimmte Impfung, ist diese Haltung oft dem Einfluss populistischer Botschaften geschuldet. Eine Studie hat nun für verschiedene Impfungen untersucht, inwiefern wissenschaftsbezogener Populismus Einfluss auf die Impfentscheidungen der Rezipient*innen hat. Die Ergebnisse zeigen: Populismus wirkt kaum auf medial wenig diskutierte Impfungen wie gegen Grippe oder HPV ein. Bei den vieldiskutierten COVID-19- oder Masern-Impfungen ist der Einfluss hingegen hoch.
„Die weltweiten COVID-19-Impfkampagnen der vergangenen zwei Jahre haben insbesondere im deutschsprachigen Raum gezeigt: Impfgegnerische Bewegungen haben einen starken Einfluss. Die zögerliche Haltung der Menschen stellt die Gesundheitssysteme vor große Herausforderungen“, so Isabell Koinig (Institut für Medien und Kommunikationswissenschaft an der Universität Klagenfurt), die die Studie gemeinsam mit Sarah Kohler (Communication and Media Science, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) durchgeführt hat.
Ein besonders fruchtbares Umfeld für ihre Botschaften finden Populist*innen auf den Social-Media-Plattformen vor, wie die Studienautorinnen ausführen. Dort könne das Misstrauen in politische Institutionen und in die Wissenschaft, gepaart mit Verschwörungstheorien, zu einer alarmierenden Impfverweigerung führen. Das populistische Narrativ beschreibt Isabell Koinig wie folgt: „Die akademische Elite wird als Antagonist zu den einfachen Leuten beschrieben. In der Wahrnehmung der Populist*innen ist das Wissen der einfachen Leute den wissenschaftlichen Methoden und Ergebnissen überlegen, weil es auf gesundem Menschenverstand, Alltagserfahrung und Bauchgefühl basiert.“
Für die Studie wurden insgesamt 870 Personen in Deutschland und Österreich online befragt. Zur Messung der Antworten wurden zwei Skalen herangezogen: Mit der SciPop Scale wurde der Populismus gegenüber Wissenschaft auf vier Dimensionen abgefragt, wohingegen Annahmen zu Impfungen auf fünf Dimensionen mittels der Psychological Antecedents of Vaccination Scale erhoben wurden. Die Werte wurden in Bezug auf folgende Impfungen verglichen: Masern/Mumps/Röteln, COVID-19, FSME, Meningokokken, Grippe und HPV.
Isabell Koinig erklärt die Ergebnisse: „Menschen, die von wissenschaftsbezogenem Populismus geprägt sind, lassen sich eher nicht gegen COVID-19 oder Masern/Mumps/Rötteln impfen. Einen solchen Zusammenhang haben wir bei allen anderen von uns untersuchten Impfungen nicht gefunden.“ Die Erkenntnisse zeigen also auf, dass es offenbar einen Zusammenhang zur polarisierten Diskussion in den (Sozialen) Medien gibt. Während die Impfungen gegen Masern/Mumps/Rötteln und COVID-19 dort stark debattiert werden, gibt es wenig öffentlichen Diskurs zu den anderen Impfungen. Für Isabell Koinig ergibt sich daraus folgendes Fazit: „Die Rolle der Medien ist entscheidend. Allein die enorme Medienpräsenz ist für manche Impfkampagnen problematisch. Hinzu kommt, dass manche Segmente der Bevölkerung den Massenmedien nicht mehr vertrauen, sondern sich eher über Social Media informieren, wo sie häufig auf Falschmeldungen stoßen. Wir schließen daraus, dass Informationskampagnen zu Impfungen mit großem Bedacht geplant werden müssen und im Zweifel das persönliche Gespräch mit Expert*innen wie Ärzt*innen eher Erfolg zeigt als Impfinserate und -plakate.“
Sarah Kohler & Isabell Koinig (2022). The Effect of Science-Related Populism on Vaccination Attitudes and Decisions. Journal of Behavorial Medicine, https://doi.org/10.1007/s10865-022-00333-2.