Die Kreativität der Mathematik genießen

Universitäre Mathematik ist kreativ. Eine, die das ideenreiche Lösen von Rätseln besonders liebt, ist Sarah Jane Selkirk. Die Südafrikanerin kam 2020 als Doktoratsstudentin nach Klagenfurt und ist nun Teil der doc.funds doctoral school „Modeling – Analysis – Optimization of discrete, continuous, and stochastic systems“.

Sarah Jane Selkirk arbeitet im mathematischen Feld der Kombinatorik. Im Zentrum steht dabei die mathematische Struktur der Bäume, wie wir sie beispielsweise als Struktur von Ordnern und Files auf einem Computer kennen. Diese Struktur wird etwa in Algorithmen oder in der Statistik verwendet. „Mich interessiert, wie viele unterschiedliche Kombinationen und Möglichkeiten es im Rahmen eines solchen Systems gibt, und wie ich diese berechnen kann.“ Als Grundlagenforscherin ist es für Sarah Jane Selkirk gar nicht so einfach, geeignete Beispiele aus der Praxis zu finden. Lachend fügt sie aber hinzu: „Wann immer es darum geht, um Fördergelder anzusuchen, brauchen wir aber diese Anknüpfungspunkte zu den Anwendungen. Üblicherweise finden wir sie in der Informatik.“ Darüber, dass ihr die Arbeit nicht ausgehen wird, ist sie sich sicher, denn: „Wenn wir in einem Paper eine Frage beantwortet haben, werfen wir damit häufig zwei weitere Fragen auf.“

Selkirk kam Anfang 2020 als Doktoratsstudentin nach Österreich, mittlerweile ist sie Teil der doc.funds doctoral school „Modeling – Analysis – Optimization of discrete, continuous, and stochastic systems“. Davor hatte sie an der Stellenbosch University in Südafrika ihr Masterstudium in nur einem Jahr absolviert. Für ihre Masterarbeit wurde Sarah Jane Selkirk mit der S2A3-Master-Medaille in Bronze durch die Southern Africa Association for the Advancement of Science ausgezeichnet. Damit werden die besten Abschlussarbeiten in den Bereichen Naturwissenschaften, Engineering und Medizin prämiert.

In Klagenfurt profitiert Selkirk vom Austausch mit anderen mathematischen Disziplinen in der doctoral school. Außerdem findet sie am Institut für Mathematik eine Arbeitsumgebung vor, in der es zahlreiche weibliche Role Models gibt. Etwas, das für sie besonders wichtig ist, denn: „Fälschlicherweise wird oft angenommen, Frauen könnten in der Mathematik nicht so erfolgreich wie Männer sein. Das Klagenfurter Institut beweist das Gegenteil.“ Das Thema war ihr schon während ihrer Zeit in Südafrika wichtig, war sie doch 2019 Mitglied des Organisationskomitees für die „African Women in Mathematics Conference“. Viele junge Talente, darunter vor allem Frauen, würden eine Karriere in den Geisteswissenschaften oder in der Kunst bevorzugen, weil sie sich nicht vorstellen können, alleine an einem Schreibtisch zu sitzen und den ganzen Tag über langweilige Berechnungen anzustellen. Diesem Vorurteil widerspricht Sarah Selkirk aber: „Vielen ist nicht klar, wie kreativ die Mathematik ist. Meine Arbeit besteht großteils daraus, dass ich zeichne und zwischen den Zeichnungen – in meinem Fall Gitterpfaden – Verbindungen herzustellen versuche. Auch die Zusammenarbeit mit anderen Mathematiker*innen ist ein wichtiger Teil meiner Arbeit. In der Schule, aber auch vielfach an der Universität, wird die Kreativität dieses Fachs zu wenig betont. Auch wenn die ersten Schritte in die Mathematik oft wirklich hart und schwierig sein können, lohnt sich die Mühe später umso mehr.“ Um Studierende besonders in ihren ersten Semestern zu unterstützen, hat Sarah Selkirk die Stellenbosch University Mathematics Society gegründet, die wöchentliche Mathematikseminare für Studierende im Grundstudium organisiert.

Das Leben in Österreich sei „sehr anders, auf vielen Ebenen“. Sarah Selkirk genießt, dass man von Klagenfurt aus mit dem Rest Europas sehr eng verbunden sei und sich dadurch viele neue Kooperationsmöglichkeiten mit internationalen Partner*innen ergeben. „Nichts ist weit weg, auch die Fördermöglichkeiten für Grundlagenforschung sind in greifbarer Nähe“, erzählt sie uns. Sarah Selkirk möchte gerne in der akademischen Welt bleiben. Vor allem die Freiheit der Forschung ist ihr sehr wichtig. Derzeit arbeitet sie mit großem Engagement an ihrer Dissertation, bei der für sie die Qualität ihrer Arbeit im Vordergrund steht: „Gute Arbeit braucht auch ihre Zeit. Diese möchte ich mir für die Doktorarbeit gerne nehmen, deshalb plane ich, mein Studium im Juli 2023 abzuschließen.“

Auf ein paar Worte mit … Sarah Jane Selkirk


Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Wissenschaftlerin geworden wären?

Mich hätte das Ingenieurwesen oder eine Karriere in einem medizinischen Bereich wie Ergotherapie oder Physiotherapie interessiert.

Verstehen Ihre Eltern, woran Sie arbeiten?

Nicht ganz, aber sie bemühen sich, mich zu verstehen und zu unterstützen.

Was machen Sie im Büro morgens als erstes?

Ich wasche mir die Hände! Dann checke ich normalerweise meine E-Mails und erledige alle sofort erledigbaren Aufgaben.

Machen Sie richtig Urlaub? Ohne an Ihre Arbeit zu denken?

Seit ich in Klagenfurt wohne und so weit von meiner Familie entfernt bin, denke ich nicht mehr über Mathematik nach, wenn ich Urlaub mache, um sie zu besuchen. Ich denke, es ist auch gesünder, seinem Gehirn einen Urlaub von der Mathematik zu gönnen.

Was bringt Sie in Rage?

Menschen, die Macht oder Ressourcen haben, und diese nicht für das Gute einsetzen

Und was beruhigt Sie?

Wenn mich etwas stört, bespreche ich es normalerweise gerne mit jemand anderem, wie das Sprichwort besagt: “Geteiltes Leid ist halbes Leid.” Das gilt auch für mathematische Probleme!

Wer ist für Sie der*die größte Wissenschaftler*in der Geschichte und warum?

Ich glaube nicht, dass es möglich ist, sich für einen zu entscheiden, jede Wissenschaftler*in leistet einen wertvollen Beitrag. Aber ich habe großen Respekt vor Emmy Noether, die bedeutende mathematische Beiträge geleistet hat und eine Vorreiterin für Frauen in der Mathematik war, obwohl sie mit sehr schwierigen Umständen konfrontiert war.

Worauf freuen Sie sich?

Ich freue mich auf das Ende der COVID-19-Pandemie.