Heimo Strempfl: „Vertraue darauf, dass auch Umwege ans Ziel führen.“
Heimo Strempfl ist Absolvent der Universität Klagenfurt und Leiter des Robert Musil Literatur-Museums. Im Interview spricht er über die vielen prägenden Erinnerungen seiner Studienzeit, die bestehende Verbindung zur Universität und seinen Karriereweg.
Was hat Sie damals an die Universität Klagenfurt gezogen?
Das Institut für Germanistik der – damaligen – Universität für Bildungswissenschaften (UBW) war schon zu Beginn der achtziger Jahre dafür bekannt, dass die Gegenwartsliteratur im Rahmen des Unterrichts einen hohen Stellenwert hat. Das hat sich für mich retrospektiv gesehen als sehr wertvoll erwiesen. Germanistik konnte ich mit dem Fach Geschichte kombinieren. Dass es eine Abteilung für Zeitgeschichte gab, für die ich mich schon damals besonders interessierte, war mir sehr sympathisch. Das ergab für mich eine optimale Kombination.
Was war für Sie ein unvergessliches Erlebnis Ihrer Studienzeit?
Eines von vielen: Helmut Qualtinger las im Jahr 1985, im vollbesetzten Hörsaal 1 aus „Mein Kampf“.
Wenn ich noch einmal studieren würde, würde ich… nichts anders machen!
Gab es Momente oder Personen in Ihrem Studium, die Sie besonders geprägt haben?
Die Tutoriumsgruppe mit Doris Wilhelmer.
Der Erfolg des VSStÖ bei der ÖH-Wahl 1983 – against all odds.
Das undbedingte universitäre und gesellschaftspolitische Engagement von Professor Franz Dotter (1948-2018).
Als Partner der Studierenden steht Dotter hier auch stellvertretend für viele andere, die sich ausrechnen können, dass sie auch gemeint sind.
Eine Exkursion nach Bulgarien.
Die historische Leichtfüßigkeit von Professor Michael Derndarsky.
Eine Lesung von H.C. Artmann an der damaligen UBW. Sensationell!
Die Geduld und Offenheit, welche der Germanistikprofessor Friedbert Aspetsberger einem Doktoranten entgegengebracht hat.
Ein Konzert der Gruppe „OPUS“ in der Aula der Universität, sehr laut und sehr schön.
Und, ja, an dieser Stelle könnte ich noch so viele Punkte anfügen…
Waren Sie während Ihrem Studium im Ausland? Welche Erfahrungen haben Sie mitgenommen?
Auslandserfahrungen habe ich hauptsächlich im Rahmen von Exkursionen sowie durch den Kontakt mit Studentenvertreter*innen aus unterschiedlichsten Ländern sammeln können.
Wie hat sich Ihr Weg vom Studium bis heute entwickelt?
Zu Beginn war ich mehrere Jahre lang als Berater für das Institut für Arbeitsmarktbetreuung (IfA) in Klagenfurt tätig. Das IfA entfaltet seine Tätigkeit im Auftrag des Arbeitsmarktservice.
Eine organisatorische Änderung eröffnete die Möglichkeit, das berufliche Feld zu wechseln. Seit über fünfundzwanzig Jahren bin ich seither im Kulturbereich tätig.
Die Möglichkeit, eine Zeitlang für den Kunstverein Kärnten zu arbeiten, eröffnete mir die Chance, Ausstellungen zu organisieren und zahlreiche Kontakte im Bereich der bildenden Kunst zu knüpfen.
Diese Kontakte halten bis heute. Und so durfte ich als Leiter des Robert Musil Literatur-Museums der Landeshauptstadt Klagenfurt auch einige Kunstvereinsmitglieder dazu einladen, Literatur-Kunst-Projekte im Museum zu gestalten. Seit Ende der neunziger Jahre organisiere ich – im Vorfeld des Bachmann Preises – den so genannten Klagenfurter Literaturkurs für junge Autor*innen. Aus den meisten sind im Laufe der Jahre renommierte Autor*innen geworden. Terézia Mora, Stipendiatin des Jahres 1997, zum Beispiel, erhielt 1999 den Bachmann Preis. 2018 wurde sie mit dem Büchner Preis ausgezeichnet. Die Chance, welche ich im Musil Museum erhalten habe, ein Haus dieser Art neu zu definieren und zu entwickeln, erhält man eher selten, denke ich. Meine Arbeit sehe ich immer noch als work in progress.
Sie waren auch an der ÖH Klagenfurt tätig. Wie erinnern Sie sich an diese Zeit und inwiefern hat Sie die Zeit an der AAU und der ÖH für Ihren weiteren Weg geprägt?
Ich habe sehr viele von meinen Kolleg*innen in der ÖH lernen können. Eine wichtige Erfahrung war, dass das Zusammenwirken, Teamwork, am effizientesten ist, wenn man freundschaftlich miteinander umgeht.
Diese Tätigkeit bedeutete für mich auch, Verantwortung zu übernehmen und zu lernen, dass Politik gleichsam „im Kleinen“ nicht viel anders funktioniert wie „im Großen“. Was mich in diesem Zusammenhang freut, ist, dass nach wie vor gute Kontakte zu den damaligen politischen Gegner*innen bestehen. Man empfindet sich als Angehöriger einer Studierendengeneration und hat sich für gemeinsame Ziele eingesetzt.
Wie kam der Sprung zur bildenden Kunst zustande?
Wie bereits erwähnt, wurde der Wechsel durch eine organisatorische Änderung im IfA möglich. Die bildende Kunst hat mich seit meiner Schulzeit sehr interessiert. Geweckt hat dieses Interesse im wahrsten Sinne des Wortes der Kunsterzieher Wilfried Kuß, der uns Schüler*innen des Bundesgymnasiums in St. Veit an der Glan die Kunst der Moderne zugänglich gemacht hat. Ich habe mich auf eine vom Kunstverein Kärnten ausgeschriebene Stelle hin beworben und fand es sehr cool, diese Stelle dann auch bekommen zu haben. Damit verbunden war auch die Lust, etwas völlig Neues auszuprobieren.
Nach Ihrer Tätigkeit im Kunstverein sind Sie direkt als Leiter im Robert Musil Literatur-Museum eingestiegen. Welche speziellen Kompetenzen benötigten Sie dazu? Welche wurzeln in Ihrem Studium und welche haben Sie sich im Laufe Ihrer Tätigkeit angeeignet?
Die Kulturabteilung der Landeshauptstadt Klagenfurt war Mitte der neunziger Jahre auf der Suche nach einem Mitarbeiter, der germanistische Kompetenz mit jener im Ausstellungswesen verbinden konnte, um ein neues Konzept für das Robert Musil Literatur-Museum zu entwerfen und um dieses dann umzusetzen. Die germanistische Kompetenz konnte ich nicht zuletzt durch das Doktorat in diesem Bereich nachweisen. Kompetenz im Ausstellungswesen habe ich durch die Tätigkeit für den Kunstverein erworben. Ich wurde von Dr. Karl Princic, dem damaligen Leiter der Kulturabteilung, nicht zuletzt deswegen geholt, weil er mich von meiner Tätigkeit als Kulturreferent der ÖH Klagenfurt her kannte.
Sie haben ursprünglich ein Lehramtsstudium abgeschlossen. Hilft Ihnen die erworbene pädagogische Kompetenz im Bereich Kultur- und Literaturvermittlung am Robert Musil Literatur-Museum?
Absolut. Ein Beispiel. Wir haben seitens des Robert Musil Literatur-Museums die folgende Frage gestellt „Was haben Lehrlinge mit Literatur zu tun?“ und, um sie für uns beantworten zu können konnten wir die Schüler*innen der Berufsschule St. Veit an der Glan zu einer dreijährigen Projekt-Partnerschaft im Rahmen des Projekts p[ART] einladen. Finanziert wurde diese p[ART]-Projekt vom Verein Kulturkontakt Austria.
Das Musil Museum konnte die Partnerschaft dazu nutzen, um gemeinsam mit den Jugendlichen Ideen zu entwickeln und Projekte umzusetzen. Ziel war es, Literatur gleichsam „Literatur mit allen Sinnen zu vermitteln“. So ergaben sich fast spielerisch Kontakte zwischen Akteur*innen im Literaturbetrieb und den Jugendlichen.
Sie beschäftigen sich tagtäglich mit Literatur. Was fasziniert Sie an Ihrem Beruf am meisten?
Mit jedem Autor und jeder Autorin, die durch die Tür des Musil Museums treten, öffnet sich für mich ein Fenster in eine neue Richtung.
Und seit der Verleihung des Ingeborg-Bachmann-Preises an die Schriftstellerin Maja Haderlap und dem, was danach passiert ist, hat sich für mich gezeigt, dass Literatur gesellschaftlich wirkmächtig ist. Und das haben wir Germanist*innen ja immer behauptet…
Was verbindet Sie heute noch mit der Universität?
Ich habe die Alpen-Adria-Universität Klagenfurt (AAU) sozusagen „im Haus“, das Robert Musil Institut für Literaturforschung/Kärntner Literaturarchiv im Musil Haus nämlich. Insofern ist der Kontakt ein sehr enger, nicht nur institutioneller, sondern persönlicher und fast täglich gegeben. Außerdem entnehme ich diesem Fragebogen, dass meine Matrikelnummer noch in Verwendung ist!
Was würden Sie heutigen Studierenden mit auf den Weg geben?
Neugierig sein, offen sein, viel probieren und darauf zu vertrauen, dass auch die Umwege ans Ziel führen.
Auf ein paar Worte mit Heimo Strempfl
Denke ich an Klagenfurt, denke ich sofort an… den Wörthersee bei Maiernigg!
Mein Lieblingsort an der Universität war… das ÖH-Büro, welches damals noch im Studentendorf untergebracht war. Indirekt war ich so wohl auch eine Art Bewohner des Studentendorfs.
Das mache ich morgens zuerst im Büro… Mit meinen Mitarbeiter*innen in der Literaturlounge des Musil Museums bei einem Espresso den Tagesablauf und die To-Do-Liste besprechen.
Ihr Studium in 3 Worten: Kompetenzerwerb, Herzensbildung & Engagement