Einblick in die Lehre… 3 Fragen an Marlene Hilzensauer
Marlene Hilzensauer hat Sprachwissenschaften studiert. Heute bietet die Leiterin des Fakultätszentrums für Gebärdensprache und Hörbehindertenkommunikation (ZGH) neben Einführung in Deaf Studies, Gehörlosenkultur und Gehörlosengeschichte auch Gebärden als Kommunikationshilfen als Lehrveranstaltung für Studierende aller Studienrichtungen an. Wir haben mit ihr über den Inhalt der Lehrveranstaltung gesprochen.
Können Sie uns etwas Näheres zu Ihrer LV „Gebärden als Kommunikationshilfen“ erzählen? Worum geht es dabei genau?
Die LV ist im Rahmen eines Erasmus+ Projektes als semivirtueller Kurs entstanden. In der LV geht es um die vielfältigen Möglichkeiten, wie Gebärden für die Kommunikation eingesetzt werden können. Diese reichen von den natürlichen Gebärdensprachen gehörloser Menschen bis hin zu Hilfssprachen mit Handzeichen, die unter anderem im Kloster, an der Börse, beim Tauchen, von SWAT-Teams etc. eingesetzt werden und der Verständigung dienen, wenn Lautsprache aufgrund der Umweltbedingungen nicht möglich oder nicht erwünscht ist.
Die LV beginnt mit einer Einführung. Dabei werden die verschiedenen Arten von Hörbeeinträchtigungen, Hörhilfen und Hörimplantaten erklärt. Es werden Tipps für die Kommunikation mit hörbeeinträchtigten oder taubblinden Menschen gegeben. Dann geht es zu den Gebärdensprachen über (nationale/regionale Gebärdensprachen, verwandte Gebärdensprachen, Ikonizität/Bildhaftigkeit von Gebärdensprachen, Bausteine von Gebärdensprachen, Verschriftung von Gebärdensprachen). Die weiteren Module widmen sich Gebärden als Kommunikationshilfen. Also den bereits erwähnten mehr oder weniger umfangreichen Zeichensprachen, die von Hörenden verwendet werden beziehungsweise den Gebärdensprachen, die von Hörenden parallel zur Lautsprache verwendet werden, etwa aufgrund von Tabus. Und Gebärden als alternative Kommunikationsform für Menschen, die keine Lautsprache verwenden können.
Gibt es, bedingt durch technologischen Fortschritt, Veränderungen in der Kommunikation von Gehörlosen untereinander oder von Gehörlosen zu Hörenden und umgekehrt? Inwiefern wird die Kommunikation dadurch beeinflusst?
Ja, natürlich – die Gehörlosen verwenden die Videokommunikation für Unterhaltungen und auch für VLOGs, etc. Die verbesserte Videotechnik erlaubt auch die Aufzeichnung von Gebärden für z.B. Online-Gebärdenwörterbücher wie „SpreadTheSign“ (www.spreadthesign.com) oder LedaSila (ledasila.aau.at). Manchmal wird bedauert, dass die früher sehr persönliche Kommunikation (etwa in den Gehörlosenvereinen) jetzt z.T. (zum Teil?) durch die elektronische Kommunikation abgelöst wurde.
Von Hörenden zu Gehörlosen gibt es etwa Video Relay Services (z.B. www.relayservice.at) oder natürlich auch die direkte Kommunikation über Gebärdensprache. Für taubblinde Menschen gibt es die Möglichkeit, das Lorm-Alphabet über elektronische Hände, die die Berührungen in Text beziehungsweise Text in Berührungen umwandeln, zu verwenden (ein Beispielvideo davon findet man unter: https://youtu.be/TW2FoVVrkEg).
Wieso haben Sie sich für diesen Bereich entschieden?
Ich habe Sprachwissenschaft studiert, weil ich mich schon immer für Sprachen interessiert habe – je ausgefallener, desto besser. Gebärdensprache war etwas ganz Anderes, weil sie über den visuellen Kanal transportiert wird. Dass ich dort gelandet bin, ist vor allem dem Zufall zu verdanken: Nach Abschluss meines Studiums habe ich in verschiedenen Projekten mitgearbeitet und wurde eines Tages von einem ehemaligen Professor darauf angesprochen, ob ich nicht bei seinem Gebärdensprachprojekt mitmachen möchte. Aus diesen ersten Projekten heraus entstand im Laufe der Zeit das heutige Fakultätszentrum für Gebärdensprache und Hörbehindertenkommunikation.
Zur Person
Marlene Hilzensauer ist Leiterin des Fakultätszentrums für Gebärdensprache und Hörbehindertenkommunikation (ZGH). Sie arbeitet neben der Lehre und der Gebärdensprachforschung an der Entwicklung von Lern- und Lehrmaterialien (für ÖGS bzw. mit ÖGS als Unterrichtssprache), insbesondere an Multimediasprachkursen für gehörlose Menschen.
Die LV ist im Rahmen eines Erasmus+ Projektes als semivirtueller Kurs entstanden. Das Projekt heißt „EC+“ und beschäftigt sich unter anderem mit Gebärden für die unterstützte Kommunikation für Menschen mit Mehrfachbeeinträchtigungen. EC+ steht für Enhancing Communication: Research to Improve Communication for People With Special Needs and Development of ICT Resources and Tools“ und nähere Informationen findet man auf ecplusproject.uma.es/de.