Von einem, der auszog, die Tumore zu besiegen
Slavisa Tubin, Facharzt am Institut für Strahlentherapie und Radioonkologie, kam im Sommer 2015 von Italien nach Österreich. Um hierzulande als Arzt tätig zu sein, brauchte er möglichst rasch gute Deutschkenntnisse, die er sich am Sprachenzentrum „Deutsch in Österreich“ aneignete.
„Tumore sind heute die größte Herausforderung in der Medizin“, erzählt uns Slavisa Tubin, als wir ihn in seinem Büro im Klinikum Klagenfurt besuchen. Mit vielen anderen Krankheiten käme die Medizin mittlerweile gut klar, der Krebs scheint – insbesondere wenn die Tumore fortgeschritten sind – in vielen Fällen noch schwer besiegbar. Eine neue Behandlung könnte nun die Krebsbehandlung aber revolutionieren. Seit 2010 arbeitet Slavisa Tubin wissenschaftlich an dieser neuen Bestrahlungstechnik.
Seit rund 60 Jahren beobachtet die Strahlentherapie zwei Effekte, die sich bisher noch nicht gut erklären ließen: „Einerseits gibt es Fälle, in denen ein Tumor bestrahlt wird, die Metastasen – irgendwo anders im Körper – aber ebenso zurückgingen, ohne selbst behandelt zu werden. Dies nennt man den Ascopal-Effekt. Andererseits gibt es Effekte, bei denen nur ein Teil des Tumors bestrahlt wird, aber der ganze – häufig inoperable – Tumor schrumpft. Bei diesem so genannten Bystander-Effekt schützen wir Gewebe und dessen Funktion für das Immunsystem.“ Diese beiden Effekte kamen bisher selten vor. Und, was für Slavisa Tubin ein bisschen wie Science Fiction anmutet: „Bis vor kurzem wusste niemand, wie man einen Tumor behandeln muss, um diese Phänomene absichtlich auszulösen.“ Etwas, das nicht mehr lange Fiktion sein muss, folgt man den Erklärungen des Facharztes: „Ein Tumor besteht aus mehreren Schichten. Im Inneren befindet sich immer ein toter, inaktiver Kern, der weder auf Chemo- noch auf radioonkologische Therapien reagiert. Um den Kern herum findet sich eine relativ schmale Schicht, die so genannte hypoxische Schicht, die wenig aktiv, aber sehr resistent gegenüber Bestrahlungen ist. Ganz außen sind Tumore in der Regel hochaktiv und wachstumsfreudig.“ Für seine Untersuchung fokussiert Slavisa Tubin nun auf Zellen aus der hypoxischen Schicht, die einer sehr hohen Strahlendosis ausgesetzt werden. Dort scheint auch die Erklärung für die beiden Effekte zu liegen: „Bestrahlt man diesen Bereich, kann man sowohl den Abscopal- als auch Bystander-Effekt bewusst und wiederholbar auslösen.“ Nach einer präklinischen Phase im Labor wurden nun auch die ersten Patientinnen und Patienten auf diese Weise mit vielversprechenden Erfolgen behandelt.
Während uns Slavisa Tubin von seinen Forschungsarbeiten erzählt, springt der Begeisterungsfunke für sein Fach sofort über. Er ist keiner, der bei schwierigen Situationen und Herausforderungen klein beigibt, sondern sich bewusst den großen Aufgaben stellt. Das erklärt auch seinen Aufbruch aus Italien im Jahr 2015, wo er, obwohl in einem „wunderschönen Land“ lebend, für seine Familie, sich und seine Arbeit keine optimalen Entwicklungsmöglichkeiten ortete. Er, der in Rom studierte, dann für einige Jahre in der Toskana lebte, kam mit seiner Frau und drei Kindern schließlich nach Österreich, mit großen Ideen für die Weiterentwicklung seines Fachgebiets in der Tasche, aber ohne Deutschkenntnisse. Binnen vier Monaten lernte er Deutsch bis zum Level B2b am Sprachenzentrum Deutsch in Österreich (www.aau.at/dia) bei Arthur Burz und bestand dann an der Wiener Ärztekammer alle erforderlichen Sprachprüfungen, um als Arzt praktizieren zu dürfen. Gefragt danach, ob dieser Schritt nicht sehr mutig gewesen sei, erklärt er: „Ich bin durch diese Erfahrung viel reicher geworden. Wir haben eine neue Kultur, neue Menschen, eine neue Sprache gelernt. Für uns als Familie hat all das einen hohen Wert.“
für ad astra: Romy Müller