Der Mensch braucht Menschen
Ältere Menschen – insbesondere in ländlichen Regionen – leiden häufig unter Einsamkeit, die in der Folge auch zu einem Gesundheitsproblem werden kann. Im INTERREG-Projekt ECARE wird der sozialen Isolation mit neuen digitalen Kommunikationsmöglichkeiten begegnet.
Wenn Cornelia Sicher, Forscherin am Institut für Öffentliche Betriebswirtschaftslehre, über das Thema E-Health spricht, verwendet sie Begriffe wie „Selbstmanagement“. Die Informatikerin und promovierte Betriebswirtin sieht im Empowerment von älteren Menschen große Chancen, die Gesundheit der Betroffenen auf Dauer zu verbessern. „Einsamkeit ist ein Gesundheitsproblem. Wir wollen den Menschen helfen, sich selbst zu monitoren und wieder in die Gesellschaft zurückzufinden. Unsere Mittel dafür sind integrierte Plattformen, digitale Kommunikationsmethoden, gekoppelt mit sozialem Austausch, und Nachbarschaftshilfe“, erläutert sie. Partner aus Italien sind an sie herangetreten, um ein neues technisches System zu erproben, das älteren Menschen in diesem Sinne mehr Gelegenheiten zur Kommunikation, stärkere Selbstorganisation und technische Unterstützung im Alltag bietet. Das Team von Cornelia Sicher ist für die Begleitforschung zuständig, um die sozialen und wirtschaftlichen Effekte des neuen Systems zu messen. Seit Jahresbeginn läuft die Entwicklung von entsprechenden Messinstrumenten und Indikatoren.
Seit Februar werden die ersten Haushalte von alleine und zuhause lebenden älteren Menschen ab 65 Jahren mit den Geräten, genau genommen Smart Watches und Tablets mit speziell abgestimmten Apps, ausgestattet. Die Zielgruppe wird entsprechend geschult. Cornelia Sicher erklärt: „Wir wollen den Menschen ein qualitativ hochwertiges Gesamtpaket zur Verfügung stellen. Es geht nicht darum, ihnen eine Smart Watch um das Handgelenk zu schnallen und ein Tablet in die Hand zu drücken, sondern wir wollen verstehen: Wie leben sie? Was sind ihre Probleme? Wie kann man ihnen in ihrer sozialen Isolation helfen?“ Sicher berichtet uns weiter, dass in Norditalien viele Junge in die Städte abwandern würden, Ältere am Land zurückbleiben und – noch viel prekärer – im Pflegefall zu wenige Betten in Heimen zur Verfügung stehen. Die soziale Isolation führe dazu, dass sich die Menschen weniger um sich selbst kümmern, sich weniger bewegen und viele Aufgaben abgeben. Geistige Agilität bleibe dabei auf der Strecke, physische Probleme würden zunehmen. Am Projekt werden 80 Menschen aus Treviso, 40 aus Belluno und 16 aus Pordenone teilnehmen. In Kärnten gibt es assoziierte Partner, die weitere 10 bis 20 Haushalte akquirieren wollen, um die neuen technologischen Möglichkeiten auszuprobieren.
Wir fragen Cornelia Sicher danach, ob sie denn das Gefühl habe, dass die politischen Entscheidungsträger und die Player im Gesundheitswesen genug tun würden, um den Herausforderungen des demographischen Wandels gerecht zu werden, und erhalten durchwegs optimistische Antworten: „Ich habe den Eindruck, dass sehr viel in Bewegung ist. Auch hierzulande ist man interessiert daran, solche Methoden auszurollen und das ‚sozial-trifft-digital‘ Instrumentarium in Kombination mit der Unterstützung einer Hilfsorganisation anzubieten. Denn: Der Mensch braucht Menschen. Zudem kommt die Frage auf: Wer soll das finanzieren?“ Sicher und ihr Team sehen es als ihre Aufgabe an, auch aufzuzeigen, dass Investitionen in dementsprechende Systeme auf lange Sicht bessere Qualität und geringere Folgekosten im Gesundheitswesen bedeuten.
für ad astra: Romy Müller