Auf die Bänke – 500 Jahre Klagenfurt sind genug – jetzt kommt Bankfurt
Ausstellungsbeitrag zu „Auf die Plätze/Na mesta“ im Haus der Architektur Kärnten vom 25.1.-25.2.2018
Ausgehend vom Seminar „Künstlerische und politische Interventionen im öffentlichen Raum“ gestalteten Studierende des MA-Studiengangs Angewandte Kulturwissenschaft einen eigenständigen Beitrag, der im Rahmen der Ausstellung „Auf die Plätze/Na mesta – Kunst im öffentlichen Raum, Kärnten“ im Haus der Architektur Kärnten zu besichtigen war. Die Ausstellung war die Abschlussveranstaltung des vom Land Kärnten für 2017 ausgerufenen „Jahrs der Kunst im öffentlichen Raum, Kärnten“.
Die Intervention der Studierenden in Form eines Cross-Media-Projekts mit dem Titel „Auf die Bänke“ entstand als produktiv-ästhetische Widerrede gegen den Umgang mit sozialen Randgruppen im öffentlichen Raum der Stadt Klagenfurt. Konkreter Anstoß war vor allem die offiziell angeordnete Entfernung von Bänken und Sitzgelegenheiten im Lendhafen-Viertel im Herbst des Vorjahres. Diese verwaltungstechnisch verbrämte Maßnahme gegen das ‚Herumlungern‘ und ‚Lärmen‘ von ‚unerwünschten‘ und als ‚problematisch‘ deklarierten Bevölkerungsgruppen (es war in einer Gratisblatt-Kolumne sogar vom „sozialen Abschaum“ die Rede) veranlasste die beteiligten Studierenden zu einer handlungs- und produktionsorientierten Reaktion auf die Frage: Wem gehört eigentlich der öffentliche Raum?
Das Resultat der Auseinandersetzung nahm verschiedene ästhetische bzw. kommunikative Formen an und es entstanden Sticker, Fotografien, Plakate, ein interaktiver Stadtplan, ein Film, eine Sage sowie ein Social-Media-Aufruf zur Beteiligung an der Kampagne durch Foto-Beiträge auf Facebook und Instagram.
Angelehnt an das Motto „Stand up for your rights“ und angepasst an das eigene Thema wurden die Sticker mit dem Hashtag „#sitdownforit“ versehen. Die in den sozialen Netzwerken veröffentlichten Fotografien von Bänken in Klagenfurt (#bankfurt) wurden in ausgedruckter Form als Collage an eine Wandfläche geheftet.
Die Plakate bildeten als Fotomontagen das Wahrzeichen der Kampagne ab, eine Sitzbank anstelle des Lindwurms. Der interaktive Stadtplan lud Ausstellungsbesucher*innen dazu ein, mit Hilfe von Pinnadeln die Orte ihrer Wunschbänke zu markieren. Ein selbst produzierter Film („500 Jahre Klagenfurt sind genug – jetzt kommt Bankfurt“) visualisierte in einzelnen Sequenzen Wortspiele aus den beiden semantischen Feldern „Bank“ (das Geldinstitut) und „Bank“ (die Sitzgelegenheit).
Die jüngere Vergangenheit des Landes/der Stadt legte eine Vermischung der beiden Wortfelder nahe und bildete auch den Nährboden für eine literarische Intervention in Form einer Sage, in der einem dystopisch inszenierten Klagenfurt die Utopie „Bankfurt“ gegenübergestellt wurde. Die Sage wurde zum ideellen Fundament des Ausstellungsbeitrags „Auf die Bänke“ und thematisiert den städtischen Raum als einen Ort der Begegnung, des Konflikts und der Veränderung. Bestehende Machtverhältnisse werden genauso skizziert wie die Rolle des/der Einzelnen in dem Gefüge unterschiedlichster Interessensgruppen. Sie ist, wie die Projektarbeit als solches, das Plädoyer für ein Verständnis von Stadt als offenem Raum der Vielfalt und des Dialogs, an dessen Entwicklung und Gestaltung alle beteiligt sein sollen, die sich darin aufhalten und darin leben. Der mit viel Zustimmung bedachte Beitrag funktionierte als gemeinsame Intervention gegen die Ausgrenzung von Randgruppen und für einen freien Zugang zum öffentlichen Raum.
Im April 2018 erschien im Drava-Verlag die von Karsten Krampitz herausgegebene Anthologie „Drei Wege zum See oder Eine andere Stadt“. Neben unveröffentlichten Texten verschiedener Bachmann-Preisträger*innen anlässlich des 500-jährigen Stadtjubiläums von Klagenfurt wurde in diesem Buch auch die Sage über Bankfurt von Sabine Ebner veröffentlicht.
Beteiligte Studierende: Sabine Ebner, Frauke Vesna Harbig, Marlene Hübner, Corinna Pichler, Denise Zaros
MA, Wintersemester 2017; LV: Künstlerische und politische Interventionen im öffentlichen Raum; Leitung: Klaus Schönberger
Die Sage vom Bankwesen
von Sabine Ebner
Vor vielen, vielen Jahren, als die Menschen deutlich intoleranter waren und Bankfurt noch nicht Bankfurt hieß, begaben sich seltsame Vorfälle in der Stadt am Lendkanal.
Bankfurt wurde damals Klagenfurt genannt, weil die Menschen nirgendwo mehr aneinander auszusetzen hatten als am „Ort der Klagen“. Man schätzte sich nicht sehr. Viele konnten gar niemanden leiden, nicht einmal sich selbst. Wieder andere verbündeten sich, um gemeinsam gegen den Rest vorzugehen. Es war also immer etwas los in Bankfurt, das damals noch Klagenfurt hieß. Reges Treiben bestimmte den öffentlichen Raum, aber auch herumlungern war normal, genauso wie vor-sich-hin-schweigen oder Lärm-machen. Hitzige Diskussionen mischten sich mit kaltem Rauch, immer wieder neue Konflikte mit dem Geruch von altem Frittieröl. Eingehüllt vom Klagenfurter Dunst fügte sich alles zu einem bunten Stadtbild zusammen – zu bunt für einige Wenige, wie sich bald herausstellen sollte.
Die Menschengruppen, die das kleine Bankfurt damals besiedelten, waren sehr durchmischt. Es gab Männer und Frauen, Alte und Junge, Arme und Reiche, Schwarze und Weiße. Die größte Gruppe unter ihnen war aber die, die überall dazwischen hinein passte. Allerdings gab es nur ein paar Mächtige und etliche gar nicht Mächtige und auch dazwischen jede Menge Platz. Aber die mittendrin fanden es dort so bequem und mischten sich fast nie ein, wenn die Mächtigen wieder einmal über die gar nicht Mächtigen bestimmten.
Und so kam es, dass die Mächtigen eines Tages genug hatten vom bunten Stadtbild und sich stattdessen eine einfärbige Stadt wünschten mit einheitlichen Plätzen und eintönigen Straßen. Sie machten die gar nicht Mächtigen für das bunte Stadtbild verantwortlich und unternahmen so ziemlich alles, um sie loszuwerden. Sie aus der Stadt zu vertreiben, war nicht schwer, denn die gar nicht Mächtigen waren abhängig von der Gunst und den Gesetzen der Mächtigen. Die so genannten Anti-Bank-Gesetze wurden beschlossen: der Zugang zu einer Bank sollte den gar nicht Mächtigen verboten werden. Der Plan war es, jede Bank einzeln abzutragen und zu entfernen bis sich auch die bunten Menschen und mit ihnen alle bunten Geräusche und Gerüche entfernen würden. Für die Mächtigen war es ein Leichtes, eine Bank und noch eine Bank zu beseitigen. Sie waren nicht auf die öffentlichen angewiesen. Für die gar nicht Mächtigen bedeutete eine Bank einen möglichen Lebensraum. Dieser sollte nun immer kleiner und kleiner werden und irgendwann ganz verschwinden.
Doch noch bevor die Gesetze in Kraft treten konnten, ließ sich ein riesiges gemeines Bankwesen in der Stadt nieder. Das Ungetüm kam vom nahe gelegenen Hypo-Sumpf, wo es schon dutzende Male die eine oder andere Reservebank versenkt hatte. Dieser Tage landete es im – damals noch Klagenfurter – Strandbad. Von dort aus verschlang es eine Bank nach der anderen und auch einen Menschen nach dem anderen, der sich in der Nähe einer Bank aufhielt, und es gab Menschen, deren einziger Lebensraum durch eine Bank gewährleistet war.
Der Seepromenade entlang fraß sich das Bankwesen auch anhand des Lendkanals bis in die Innenstadt durch und am Lendhafen schließlich die letzte Bank auf. Nur das Fußballstadion in
Waidmannsdorf verschonte es aus irgendeinem Grund, obwohl es dort weit mehr Bänke als Menschen hätte verschlingen können.
Von jetzt an traf es also nicht nur die gar nicht Mächtigen, sondern auch die Menschen dazwischen. Wenn sie ehrlich waren, fanden sie es auch immer ganz gemütlich, sich mit anderen Menschen an einer Wechselbank oder einer Sonnenbank zu treffen, um ihre Bankgeheimnisse auszutauschen. Nun war auch für sie mit einem Mal kein Umtausch und kein Austausch mehr möglich. Schlimmer noch, wer sich nicht verstecken konnte, musste aus der Stadt fliehen, um dem gierigen Bankwesen zu entkommen. Nur die ganz Mächtigen konnten untertauchen.
Irgendwann dann endlich zog das gemeine Bankwesen weiter, um an einem anderen Ort sein Unwesen zu treiben. Es brauchte eine Zeit lang, bis sich die Mächtigen, die als einzige vom Bankwesen verschont geblieben waren, wieder auf die Straße trauten. Aber dort war es jetzt schrecklich einfärbig und eintönig. Plätze und Parks lagen einsam da, dazwischen vereinzelt einfältige Menschen. Jahre vergingen und die zurückgebliebenen Menschen in Bankfurt, damals noch Klagenfurt, konnten die mächtige Stille und Leere in ihrer Stadt kaum mehr ertragen, doch sie wussten sich nicht zu helfen.
Eines schönen Sommertages kamen ein paar Kinder von weither in die Nähe der Stadt. Sie machten gerade eine Ausfahrt mit ihrem Kutter. Sie scherzten und lachten und wunderten sich über die so schöne, aber einsame Stadt am Wasser. Als sie am Ostufer des Wörthersees angekommen waren, führte sie der Lendkanal in das Stadtinnere. Am Lendhafen machten sie Halt und wunderten sich erneut über die Leere und Stille und über den schwermütigen Namen dieses malerischen Ortes. Da die Kinder es von zuhause gewohnt waren, an jedem öffentlichen Ort eine Bank zum Rasten und Verweilen vorzufinden, bastelten sie sich aus großen flachen Steinen und einem alten Stück Holz selbst eine. Nichts dauerte es und die einst Mächtigen wurden vom Lärmen und Lachen der Kinder aus den Häusern gelockt. Wie lange schon hatten sie kein buntes Geräusch mehr vernommen, wie lange schon keine bunten Bilder gesehen? Die Warmherzigkeit und Geselligkeit der froh gelaunten Kinder auf der Bank ließ sie erkennen, welchen Verlust der Bankraub in ihrer Stadt, die ohne Bank und ohne bunte Menschen, bunte Gerüche und Geräusche gar keine richtige Stadt mehr war, tatsächlich angerichtet hatte.
Und so kam es, dass die Zurückgebliebenen veranlassten, dass an jedem öffentlichen Platz, in jedem Park, in jeder Allee durch die Bank Bänke aufgestellt werden sollten. Die Ersatzbank der Kinder im Lendhafen sollte als Erste Bank das neue Stadtbild prägen. Es folgten unzählige Bank-Variationen, darunter die Universalbank, die Sonnenbank, die Werkbank, die Wechselbank, die Datenbank, die Notenbank, die Fußbank, die Spielbank, die Hobelbank. Und mit den vielen bunten Bänken kamen auch wieder viele bunte Menschen, bunte Geräusche und Gerüche in den öffentlichen Raum, der nun wieder allen gehörte, und gemeinsam beschloss man, die „Klagen“ aus Klagenfurt zu streichen und die Stadt in das heutige „Bankfurt“ umzubenennen. Als Mahnmal für den Bankeinzug und seine Folgen errichtete man am Neuen Platz, dort, wo einst der Lindwurm Maria Theresia Aug’ in Aug‘ gegenüber gestanden hatte, eine übergroße Spezialbank. Sie lädt bis heute alle Bewohner*innen und Besucher*innen der Stadt zum Verweilen ein.
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