Wie egoistisch sind wir, wenn wir durstig sind?
Bertolt Brecht formulierte einst in der Dreigroschenoper: „Erst kommt das Fressen, dann die Moral.“ Eine Studie, in der die Bereitschaft zu teilen bei Durstigen erhoben wurde, zeigt nun das Gegenteil: Die durstigen TeilnehmerInnen waren eher bereit, Wasser zu teilen als (aktuell ihr Bedürfnis nicht stillendes) Geld.
Astrid Kause, die derzeit an der Leeds University Business School und am Priestley International Center for Climate in Leeds forscht, hat zuvor am Max Planck Institut für Bildungsforschung in Berlin zum menschlichen Verhalten gearbeitet. Dort führte sie ihre schon in Klagenfurt begonnene Studienreihe zu den Mechanismen sozialer Kooperation im Feld der experimentellen Ökonomie weiter.
Gemeinsam mit dem Klagenfurter Forschungsteam Oliver Vitouch und Judith Glück (Institut für Psychologie) untersuchte sie, wie knappe, dringend benötigte Ressourcen geteilt werden. Dazu wurden 84 StudienteilnehmerInnen mittels einer intensiven Sporteinheit auf einem Fahrrad-Ergometer durstig gemacht. Dann wurde deren Bereitschaft gemessen, sowohl eine limitierte Menge Wasser als auch Geld mit einer anonymen fremden Person zu teilen. Das vielfach verwendete Diktatorspiel, ein simples experimentelles Teilungsszenario aus der experimentellen Ökonomie, diente hierbei als Vorlage für das Experiment. Unterschieden wurde dabei zwischen TeilnehmerInnen, die jeweils Wasser- bzw. Geldmengen durch das Radfahren „verdient“ hatten und jenen, denen beide Güter beliebig zugewiesen wurden.
Die Ergebnisse zeigen: Wasser wird großzügiger geteilt als Geld. Sogar jene StudienteilnehmerInnen, die das Gefühl hatten, ihre kleine Wassermenge durch intensives Radeln „verdient“ zu haben, waren bereit, die Hälfte oder mehr als die Hälfte abzugeben. Im Gegensatz dazu gaben sie viel weniger Geld ab. „Vermutlich fiel es unseren Teilnehmern leichter, sich in Bedürfnisse anderer, wie deren Durst, einzufühlen, wenn sie diese selbst verspürten. Geld hingegen lässt sich in unterschiedlichster Weise verwenden, so dass es schwerer sein könnte, Empathie zu entwickeln. Empathie wiederum könnte das altruistische Verhalten begünstigen“, so Astrid Kause.
Möglicherweise lag Brecht also nicht unbedingt richtig. Die Ergebnisse motivieren dazu, in größerem Rahmen zu erforschen, wie knappe Ressourcen geteilt werden – und Wissen dazu zu schaffen, wie Menschen mit diesen umgehen, wenn sie etwa durch extreme Wetterereignisse knapp werden.
Kause, A., Vitouch, O. & Glück, J. (2018). How selfish is a thirsty man? A pilot study on comparing sharing behaviour with primary and secondary rewards. PLoS ONE 13(8): e0201358. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0201358.