Bioenergie und/oder Nahrung? Globale Szenarien für 2050

Bisherige Studien über globale Bioenergiepotenziale berücksichtigten Konflikte und Wechselwirkungen zwischen Nahrungs- und Energieversorgung zu wenig. Eine neue Studie des Instituts für Soziale Ökologie im Auftrag von zwei britischen NGOs – Friends of the Earth und Compassion in World Farming – analysiert nun diese Frage, klärt die Möglichkeiten verschiedener Produktionsbedingungen und Konsumverhaltens und zeigt mögliche globale Zukunftsszenarien auf.

Trends bis 2050

Bis 2050 wird die Weltbevölkerung auf etwa 9,2 Milliarden Menschen anwachsen. Eine Milliarde Menschen sind unterernährt. Der Trend geht zu wachsendem Pro-Kopf-Konsum an Nahrung und zu einem steigenden Anteil tierischer Produkte. Gleichzeitig wird eine massive Ausweitung der Bioenergienutzung angestrebt, um fossile Energieträger zu ersetzen und damit zur Verlangsamung des Klimawandels beizutragen.

Schon jetzt nutzt die Menschheit drei Viertel der Landoberfläche der Erde als Ackerland, Grasländer, Siedlungen, Infrastrukturen und Forste. Eine Ausweitung der insgesamt genutzten Fläche ist kaum möglich, denn das verbleibende Viertel ist meist sehr unproduktiv (Wüsten, Tundra usw.) und beinhaltet die wenigen noch verbliebenen Primärwälder, die zur Erhaltung der Biodiversität geschützt werden sollten. Ihre Nutzung würde außerdem große Mengen Kohlenstoff freisetzen und zum Klimawandel beitragen.
Die Steigerung der globalen Nahrungs- und Bioenergiebereitstellung wird daher nicht durch Ausweitung der Flächennutzung, sondern nur durch deren effizientere, intensivere Nutzung möglich sein. Angesichts der jetzt schon vielerorts dramatischen negativen Konsequenzen intensiver Landnutzung – Treibhausgasemissionen, Bodenerosion, Grundwasserbelastung usw. – eine gewaltige Herausforderung.

Entwicklung eines Biomasse-Modells

In der Studie von Helmut Haberl und seinem Team vom Institut für Soziale Ökologie in Wien wurden die Wechselwirkungen zwischen Nahrungs- und Energieversorgung berücksichtigt. Für diese Analyse wurde ein globales Biomasse-Modell entwickelt. Es bildet alle Materialflüsse von der Ernte bis zur Bereitstellung von Nahrung und Primärenergie in elf Weltregionen konsistent ab. Das Modell erlaubt es, Variationen in der Nachfrage nach Lebensmitteln, der Intensität von Ackerbau und Viehhaltung und Ausweitung des Ackerlandes durchzuspielen und berechnet jeweils das dann realisierbare Bioenergiepotenzial (Primärenergie). Dabei werden drei Versorgungspfade berücksichtigt: Anbau von Bioenergiepflanzen am Ackerland und am Grasland sowie das freie Potenzial für biogene Reststoffe vom Ackerland (der Bedarf der Nutztierhaltung sowie ein Anteil für die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit wird abgezogen). Das Potenzial an forstlicher Bioenergie wurde nicht berechnet.

Tierische Nahrung reduziert Bioenergie

Die Ergebnisse zeigen, dass das Bioenergiepotenzial von Acker- und Grasland – je nach Ernährungsweise und Intensität der Landnutzung – in einer Größenordnung von 60 – 180 EJ/yr liegt. Das entspricht 10 – 30 % des Weltenergieverbrauchs. Die Aussage ist klar: Je mehr Nahrung, insbesondere tierische Produkte, konsumiert wird, desto geringer ist das Potenzial für die Gewinnung von Bioenergie.

Die Studie untersuchte auch, ob eine Versorgung der Weltbevölkerung mit ökologisch verträglicher Landwirtschaft und artgerechter Tierhaltung möglich wäre. Wie hoch die ökologischen Standards sind, die erreicht werden können, hängt ebenfalls vom angestrebten Ernährungsniveau ab. Wobei die Studie klar zeigt, dass eine Ernährung der Weltbevölkerung im Jahr 2050 auch mithilfe ökologischer Landwirtschaft möglich ist. Nötig wäre dafür allerdings eine weltweite gerechte Verteilung von Nahrungsmitteln sowie ein sehr niedriger Konsum tierischer Produkte: Nur 20 % des Eiweißes könnten in diesem Szenario aus tierischen Produkten bereitgestellt werden, den Rest müssten Pflanzen wie etwa Hülsenfrüchte (Erbsen, Bohnen usw.) liefern. Auch der potenzielle Einfluss des Klimawandels wurde abgeschätzt, erwies sich aber als sehr unsicher.

Erb, Karl-Heinz, Helmut Haberl, Fridolin Krausmann, Christian Lauk, Christoph Plutzar, Julia K. Steinberger, Christoph Müller, Alberte Bondeau, Katharina Waha, Gudrun Pollack, 2009. Feeding and fuelling the world sustainably, fairly and humanely. A scoping study. Commissioned by Compassion in World Farming and Friends of the Earth UK. Institute of Social Ecology and PIK Potsdam, Vienna, Potsdam.

Kontakt:
Mag. Barbara Smetschka
Institut für Soziale Ökologie / IFF Wien
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
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