Wer gewinnt die Fußball-Weltmeisterschaft 2018?
Dmitri Blüschke ist Volkwsirt an der Universität Klagenfurt und beschäftigt sich vor allem im bereich der angewandten Makroökonomik. Welche Bereiche ihn persönlich noch interessieren, welchen Tipp er für die WM hat und wie die Wissenschaft den Sport beeinflusst, haben wir ihn in einem Interview gefragt.
Lieber Herr Blüschke, Sie forschen und lehren am Institut für Volkswirtschaftslehre. Mit welchen Themen beschäftigen Sie sich eigentlich?
Meine Schwerpunkte liegen vor allem im Bereich der angewandten Makroökonomik. Dazu gehören die Fragen der optimalen Gestaltung der Geld- und der Fiskalpolitik in den einzelnen Ländern. Aber auch solche Fragen, welche die gesamte Eurozone bewegen, wie zum Beispiel der Umgang mit hohen Staatsschulden, liegen im Fokus meiner Forschungstätigkeit. Darüber hinaus beschäftige ich mich intensiv mit heuristischen bzw. evolutionsbasierten Optimierungstechniken.
Ein spannender Bereich ist die Sportökonomie, mit welchen Inhalten setzt sie sich auseinander?
Eine ökonomische Analyse von sportlichen Aktivitäten ist seit langem ein spannendes Forschungsfeld. Die Verfügbarkeit von enormen Datenbeständen hat aber in den letzten Jahren zu einer förmlichen Explosion der Forschung in diesem Bereich geführt. Die Themen sind selbstverständlich sehr vielfältig und behandeln viele unterschiedliche Fragen wie die Analyse der Nachfrage nach Sportprodukten (wozu auch Fußballspiele zählen), Interaktionen auf Spielermärkten, aber auch Auswirkungen von Sport bzw. Sportereignissen auf die Wirtschaft und die Gesellschaft. Die Fußballfans können sich vielleicht noch an den berühmten Elfmeter-Zettel von Jens Lehmann in dem Viertelfinalspiel Deutschland gegen Argentinien bei der WM 2006 erinnern. Bei der WM 2018 werden vor jedem Elfmeterschießen die entsprechenden Daten zum Verhalten des Spielers eingeblendet. Und überhaupt, beschäftigen heutzutage fast alle großen Mannschaften eine Statistikabteilung. Also kann man schon heute sagen, dass die Wissenschaft den Sport verändert.
Ökonomie bedeutet zum Beispiel auch den Marktwert eines Spielers zu berechnen, oder einer Mannschaft. Wie sehen denn die Marktwerte der Mannschaften aus, die sich für die Weltmeisterschaft qualifizieren konnten?
Die Unterschiede bei den Marktwerten der teilnehmenden Mannschaften sind bei dieser WM extrem gewaltig. Ganz oben steht dabei Frankreich mit einem Marktwert von 1,08 Mrd. Euro. Diese wird gefolgt von Brasilien (981 Mio. Euro), Spanien (974 Mio. Euro) und Deutschland (883 Mio. Euro). Das Schlusslicht bilden die Mannschaften aus Panama mit einem Marktwert von 8,23 Mio. Euro und Saudi Arabien (18,83 Mio. Euro). Von den ersten vier sind Deutschland, Spanien und Brasilien relativ früh ausgeschieden. Wobei der Marktwert der Gegner, welche Spanien und Deutschland „abgeschossen“ haben (Russland – 161,80 Mio. Euro und Südkorea – 87,53 Mio. Euro) lediglich einen Bruchteil beträgt. Ab den Viertelfinalspielen stellte neben Russland nur noch die schwedische Mannschaft mit einem Marktwert von 119,75 Mio. Euro eine Überraschung dar. Bei den anderen Mannschafften sind überall die Marktwerte jenseits von 350 Mio. Euro, so dass man nicht wirklich von Underdogs reden kann.
Wie ist das Finale Kroatien gegen Frankreich einzuordenen? Spielt hier David gegen Goliath?
Grundsätzlich gibt es zwei wichtige Erkenntnisse zu diesem Thema aus der Wissenschaft. Zum einen weiß man, dass man mit Geld Spiele im Durchschnitt öfters gewinnt. Die Spielermärkte im Fußball funktionieren heutzutage recht gut und ein höherer Marktwert bedeutet im Normallfall tatsächlich eine höhere Qualität und Potenzial für die Zukunft. Auf der anderen Seite leben die Sportereignisse von einer erwünschten Unsicherheit. Den Ausgang eines einzelnen Spiels vorherzusagen ist sehr schwer. In einer Liga und im Durchschnitt ist der Marktwert in der Tat ein sehr guter Indikator für Vorhersagen, die WM hat aber eigene Gesetze. Bis auf den, leider bereits verstorbenen, WM-Orakel Paul die Krake, ist mir keine zuverlässige Methode bekannt. Zu der Frage David gegen Goliath: bei dem anstehenden Finalspiel zwischen Frankreich (Marktwert 1,08 Mrd. Euro) und Kroatien (364 Mio. Euro) kann man aus der finanziellen Sicht schon von einem klaren Kräfteverhältnis reden. Wenn man zwei zentrale Mittelfeldspieler vergleicht, Paul Pogba 1,91 groß (25 Jahre, MW 90 Mio.) und Luka Modric 1,72 klein (32 Jahre, MW 25 Mio.) kommt man zwar dem David gegen Goliath Vergleich bildlich näher, fußballerisch gehört aber die kroatische Mannschaft schon seit längerem zum Favoritenkreis.
Sie sind ja selbst auch begeisterter Fußball-Fan. Was glauben Sie, warum fasziniert dieser Sport so viele Menschen?
Eine der wichtigsten Ursachen liegt in einer günstigen Zugänglichkeit zu dieser Sportart. Im Prinzip braucht man lediglich einen Ball (wobei der früher einfach aus zusammengebundenen Stoffresten bestand) und man kann bereits mit Spielen beginnen. Somit weist der Fußball weltweit am meisten aktive Teilnehmer auf. Als eine Mannschaftssportart ermöglicht Fußball dazu vielfältige soziale Interaktionen. Daraus resultiert die große Popularität. Der weitere Grund, der teilweise mit Besorgnis wahrgenommen werden kann, sind die einsetzenden bzw. bereits vorhandene Netzwerk- und Monopoleffekte. Dadurch, dass Fußball so beliebt und populär ist, stellt das natürlich eine Art Magnet für Jugendliche und Kinder dar. Die Infrastruktur, die breite Präsenz in den Medien, das potenzielle Interesse von vielen Kindern und die Budgets von Fußballvereinen, führen dazu, dass vielerorts (insbesondere im ländlichen Bereich) Fußball die einzige Möglichkeit für eine Mannschaftssportart ist. Das ist selbstverständlich gut für den Fußball (und das freut mich als einen ehrenamtlichen Nachwuchstrainer besonders), die anderen Sportarten leiden aber darunter.
Ihr Tipp, wer wird Weltmeister?
Mein Tipp vor der WM war Belgien und bis zum Halbfinale mit Frankreich hat sich das weitestgehend bestätigt. Für viele gilt diese Mannschaft als ein Geheimfavorit, mit einem Marktwert von 754,00 Mio. Euro (Rang 6 in dieser Wertung) gehört die belgische Mannschaft aber sowieso zu den „Großen“. Bei dem anstehenden Finalspiel zwischen Frankreich und Kroatien habe ich persönlich eher Präferenzen für Kroatien, aber ich verlasse mich dennoch rein auf den Marktwert und tippe auf Frankreich.