Frauenhygiene unter der Nachhaltigkeitsbrille: Weltrekordversuch mit Tampon/Slipeinlagen-Turm
16.500 Tampons und Slipeinlagen/Binden verbraucht eine durchschnittliche Frau in ihrem Leben. Die Aktion #mybloodywaste wollte nun als Culture Jam am Alten Platz in Klagenfurt darauf aufmerksam machen, wie viel Müll dabei anfällt. Die Studentinnen und ihre Professorin luden zum Mitbauen ein – und stießen damit so manche Nachhaltigkeitsdiskussion an.
Fünf Studentinnen der Medien- und Kommunikationswissenschaften treffen sich an diesem Dienstagvormittag Ende Juni zur Abschlussbesprechung des Projektseminars „Stakeholder engagement“ von Franzisca Weder. Am vorangegangenen Mittwoch ging am Alten Platz in der Klagenfurter Innenstadt ihr Projekt #mybloodywaste über die Bühne. Das reine „Frauen-Team“ hatte sich vorgenommen, mit einem so genannten Culture Jam auf das Thema „Nachhaltigkeit & Frauenhygiene“ aufmerksam zu machen. „Bei einem Culture Jam wollen wir nicht aufklären oder beraten. Wir wollen mit einem konkreten Ding etwas machen, wofür es eigentlich nicht vorgesehen ist, und damit Diskurse anstoßen“. Gemeinsam mit ihrer Professorin haben 5 junge Studentinnen einen knapp 4 Meter hohen Turm aus 311 Schachteln mit ungefähr 16.500 Tampons und Slipeinlagen/Binden aufgebaut und Passantinnen und Passanten zum Mitbauen und Diskutieren eingeladen.
Der Turm stand
Das Wichtigste vorweg: Der Turm stand, und er war beeindruckend hoch. Mit den vielen Schachteln konnten die Studierenden zeigen, wie groß der Lebensverbrauch an Hygieneartikeln einer Frau ist und wie viel Müll dabei entsteht. „Die Botschaft kam auch bei den Menschen, die vorbei gingen, an: Obwohl wir sie nicht darauf aufmerksam gemacht hatten, erkannten viele den Zusammenhang mit dem Müll-Problem“, so Giulia Colli, eine der Studentinnen. Über die Aktion im öffentlichen Raum kam man mit so manchem und so mancher Vorbeikommenden ins Gespräch, um Sinnvolles, Skurriles, Brauchbares und auch „ziemlich Absurdes“ zu besprechen, so die Studentin Anja Kraudinger. Das Ziel, Kommunikation über Nachhaltigkeit anzuregen, war erreicht.
Tabu brechen
Warum mussten aber gerade die für die Kommunikation sensiblen und mit Intimität besetzten Tampons und Slipeinlagen/Binden als Objekte herhalten? „Auch bei uns war die Scheu am Anfang groß und wir fragten uns: Können wir nicht etwas Leichteres als Beispiel hernehmen“, erzählt Hannah Traussnigg, eine der Studentinnen. Mit der Zeit aber wurde das Tabu Menstruation und Frauenhygieneartikel gebrochen, es wurde zunehmend leicht, darüber und über die damit verwandten Aspekte der Nachhaltigkeit zu sprechen, Diskurse wurden auch im Privaten angestoßen und schließlich war es – so erzählen die Studentinnen einhellig – für keine von ihnen mehr befremdlich, am Alten Platz einen Tampon-Slipeinlagen/Binden-Turm aufzubauen. Im Kontakt mit den Vorbeikommenden wurde aber klar: Das Menstruationsthema ist für viele ein Tabu, etwas, das als Thema einer Debatte im öffentlichen Raum keinen Platz hat und das mit Ekel, Abneigung, und einem Bäh-Faktor besetzt ist.
Frauenhygiene aus Männerblick
Die Reaktionen der Vorbeikommenden waren gemischt – und vielfach auch genderspezifisch. Männer äußerten, so erzählen Nina Krug und Rebekka Graf, häufig, mit dem Thema rein gar nichts zu tun zu haben, während andere durchaus interessiert auf das ungewöhnliche Turmbauprojekt schielten. Von den ZuseherInnen kam auch der Vorwurf, das vernachlässigbar scheinende Müllproblem der Frauenhygiene „aufzubauschen“, während die halbe Welt in Plastikmüll aus Flaschen und anderen Verpackungen unterzugehen droht. Interessant war auch das – von den Studentinnen als eindeutig verfehlt eingeschätzte – Kondom-Argument von so manchem Herrn: „Ja, dann verzicht‘ ich halt jetzt auch auf Kondome, aus Nachhaltigkeitsgründen …“.
In den Wald hineinrufen – und etwas zurückbekommen
Für die MK-Studentinnen geht es nun um das Auswerten des Echos auf ihre Aktion. Lokale Medien haben sowohl on- als auch offline berichtet, entsprechende Postings auf den Sozialen Medien gemacht und damit auch eine weiterführende Diskussion angestoßen. Die öffentliche Debatte soll nun auch über ein #mybloodywaste-Video weiter angefeuert werden, das vor kurzem online ging und weite Verbreitung über den Alten Platz hinaus finden soll. „Wir wollen uns anschauen, welche Diskurse zu Nachhaltigkeit & Frauenhygiene wir damit anregen können. Das Feld ist bisher noch wenig beackert, umso spannender ist es, worüber und in welchem Kontext die Aktion bewertet wird“, erklärt Lehrveranstaltungsleiterin Franzisca Weder. Öffentliche Aufmerksamkeit will man auch dadurch gewinnen, indem man um einen Eintrag im Guinness Buch der Rekorde angesucht hat. Derzeit wartet die Projektgruppe auf Rückmeldung vom Verlag, um dann hoffentlich sagen zu können, den weltgrößten Turm aus Frauenhygieneartikeln gebaut zu haben.
Nachhaltige Weiternutzung
Die Frauenhygieneartikel wurden nach der Aktion übrigens kein Fall für den Müllkübel, sondern sie wurden – bestens originalverpackt – an die Caritas gespendet.