Schöne, fitte Instagram-Welt
Wie wir uns und unseren Körper wahrnehmen, wird immer stärker durch Bilder in sozialen Medien beeinflusst. Katrin Döveling, Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft, hat untersucht, welche Folgen die Nutzung von Fitnessblogs auf Instagram auf Körperbilder und Selbstwahrnehmung hat.
In kürzester Zeit aufgenommen und noch schneller im World Wide Web verbreitet sind Bilder zum zentralen Medium unserer digitalisierten Gesellschaft geworden. Der Fokus auf das Bild hat durch Plattformen wie Instagram in den letzten Jahren stark zugenommen. 95 Millionen Posts pro Tag und über 700 Millionen UserInnen weltweit belegen den Aufstieg von Instagram. „Was sich vor allem durch die sozialen Medien geändert hat, ist die Flut an Bildern, die normativ ausgehandelt wird“, erklärt Katrin Döveling. „Permanent vergleichen wir uns über die hochgeladenen Fotos mit anderen. Prozesse des sozialen Vergleichs sind im alltäglichen Leben auch wichtig, denn darüber erfahren wir, wo wir in der Gesellschaft stehen. Bei Jugendlichen und jungen Menschen, die noch keine gefestigte Identität haben, zeigt sich jedoch, dass der ständige Vergleich negative Effekte hervorrufen kann.“ Obwohl Vergleichsprozesse in sozialen Netzwerken ständig passieren, sind die Auswirkungen auf die Selbstwahrnehmung und das Selbstwertgefühl von Userinnen und Usern bislang kaum erforscht.
Katrin Döveling, die sich intensiv mit der Nutzung und Wirkung von Social Media beschäftigt, hat, gemeinsam mit Carolin Krämer, eine Studie präsentiert. In dieser wurden großteils Nutzerinnen (95 Prozent der TeilnehmerInnen waren weiblich) von fitnessbezogenen Inhalten auf Instagram befragt. „Die Studie hat gezeigt, dass unsichere Frauen, die Instagram nutzen, dadurch oft noch unsicherer und unzufriedener mit sich selbst sind und sich schlechter fühlen. Je höher die Instagram-Nutzung bzw. die Nutzung von Fitness-Inhalten ist, desto negativer war die Wahrnehmung des eigenen Körperbildes“, schildert Döveling die zentralen Ergebnisse der Untersuchung. „51 Prozent hatten wegen der App den Eindruck, dass sie ihren Körperfettanteil reduzieren müssten, und das, obwohl der Großteil der 901 befragten NutzerInnen angegeben hat, normalgewichtig zu sein.“
Viele Fitness-Blogs vermitteln den jungen UserInnnen ein vermeintliches Schönheitsideal unter dem Deckmantel von Fitness und Gesundheit. Fitness steht aber in vielen Fällen nicht mehr im Vordergrund, es geht einfach darum, dünn und attraktiv zu sein. So buhlen dann junge Frauen um Likes und Anerkennung, indem sie Fotos ihrer thigh gaps (die „Lücke“ zwischen den beiden Oberschenkeln) online stellen. „Es geht nicht darum Fitness-Accounts und BloggerInnen zu verteufeln. Fitness ist in Zeiten von schneller Esskultur und einer zunehmend übergewichtigen Gesellschaft wichtig. Aber viele junge Frauen, die erst einen Identitätsentwurf entwickeln müssen, fühlen sich durch diese meist makellosen Fotos unter enormem Zugzwang. In unserer Studie gaben 67 Prozent an, dass sie durch Instagram den Druck verspürten, besser in Form zu sein.“
Die perfekte Frau in der Werbung und in den Medien ist kein neues Thema, aber der Einfluss auf unser Leben hat durch die ständige Präsenz der Bilder und die Möglichkeit, uns jederzeit und überall darüber austauschen zu können, stark zugenommen. „Wenn dann junge Menschen diese ganzen Vorher-dick-nachher-dünn-Fotos von BloggerInnen sehen, denken sie sich: Wenn die das können, dann kann ich das auch.“
Die schöne perfekte Social-Media-Welt wartet aber auch mit Gegentrends auf, wie zum Beispiel unter dem Schlagwort body positivity. Die dahinterstehende Bewegung setzt sich für ein positives und selbstbewusstes Körpergefühl ein, das die Einzigartigkeit jedes Körpers feiert. Ein Trend hin zu Models und BloggerInnen mit „Normalmaßen“ ist durchaus wünschenswert, Katrin Döveling merkt aber an: „Kritisch sehe ich Medienformate wie ‚Das Super Curvy Model‘, die den Fokus darauf legen, dass die Teilnehmerinnen anders als ‚echte‘ Models sind und sie somit wieder in eine Schublade stecken. Und auch wenn Modezeitschriften nun öfters Frauen mit ‚normalen‘ Größen abbilden, heißt das nicht, dass es auch in den sozialen Medien angekommen ist.“
Zusammen mit Studierenden hat Döveling den Facebook-Auftritt eines „Curvy Models“ näher untersucht und Reaktionen auf Postings und Fotos analysiert. „Wir wollten wissen, welche Emotionsmuster und Regularien es dort gibt. Neben den vielen negativen Kommentaren gab es immer wieder UserInnen, die versucht haben, das fat shaming, also diskriminierende Aussagen hinsichtlich ihres Aussehens und Gewichts, zu stoppen. Aber im Vergleich zu den negativen Postings war das nur eine geringe Zahl.“
Nun wissen prominente Menschen vielleicht damit umzugehen, junge Frauen und Männer hingegen, die ihre eigenen Fotos hochladen und sich dann mit massiven Hasspostings und Cybermobbing konfrontiert sehen, sind damit oftmals überfordert. „An diesem Punkt sind Eltern, Schulen und Lehrkräfte gefragt, die Jugendlichen darüber aufzuklären, welche Konsequenzen Fotos im Netz haben können und wie sie verantwortungsvoll damit umgehen“, fordert Döveling. „Emotionale Medienkompetenz v. a. im digitalen Zeitalter bleibt eine Herausforderung, der sich Wissenschaft und Gesellschaft stellen müssen.“
für ad astra: Katharina Tischler-Banfield
Zur Person
Katrin Döveling studierte Soziologie, Psychologie und Medienwissenschaften und habilitierte an der Universität Leipzig im Fach Kommunikations- und Medienwissenschaften. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Medientechnik und Medienwandel, mit einem Schwerpunkt auf Globalisierung und Emotionen, Online-Medien, besonders neue Formen von Social Networking Sites sowie digitale Medienkultur(en) im internationalen Kontext.
Tipp: Lange Nacht der Forschung, 13. April 2018
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