20 Jahre später: Wie friedlich leben Menschen im ehemaligen Jugoslawien zusammen?
Noch vor zwei Jahrzehnten war in vielen Fällen der Nachbar der Gegner im Krieg. Eine Konferenz zum Thema „Krieg(e) in Jugoslawien“ an der Alpen-Adria-Universität setzt sich damit auseinander, wie dauerhafter Frieden etabliert hat werden kann.
Alle Menschen im südosteuropäischen Raum, die älter als 20 Jahre alt sind, haben in irgendeiner Form eine Erinnerung an den Balkankonflikt, der in mehreren Kriegen zwischen 1991 und 1999 zum Ausbruch kam. Das Ergebnis dieser Kriege ist im Alltag der Menschen noch deutlich sichtbar. „So wachsen zum Beispiel in Sarajevo Friedhöfe bis in die innere Stadt, auf denen mehrere tausend Tote begraben sind. Sehr viele von ihnen waren junge Menschen und Kinder; fast 11.000 Einwohner starben zwischen dem 4. April 1992 und dem 29. Februar 1996 – darunter 1.600 Kinder“, berichtet Bettina Gruber, die für das Zentrum für Friedensforschung und Friedenspädagogik (ZFF) für die Organisation der Tagung „Krieg(e) in Jugoslawien“ verantwortlich ist.
Diese Bilder und die Erinnerung an die Geschehnisse, die dazu geführt haben, prägen bis heute. So könne in einigen Nachfolgestaaten bis heute nicht von einem friedlichen Zusammenleben der Menschen gesprochen werden: Diejenigen, die sich heute im Alltag begegnen, waren Opfer oder Täter – die Eindrücke schwingen bis in die Gegenwart mit.
Umso bedeutender sind so genannte Peace-Building-Maßnahmen auf zivilgesellschaftlicher Ebene, wie sie – teilweise auch von WissenschaftlerInnen entwickelt – in zahlreichen Krisenregionen bereits erfolgreich zum Einsatz gebracht werden. Wilfried Graf, Forscher, Berater und Trainer in Konfliktregionen und Nachkriegsgesellschaften, zu den Grundvoraussetzungen im Friedensprozess: „Wir wissen mittlerweile, dass die Maßnahmen umso nachhaltiger sind, je interaktiver wir sie gestalten. Wenig bringt es, nur mit moderaten Personen aus den Konfliktparteien zu arbeiten. In Sri Lanka haben wir beispielsweise gute Erfahrungen damit gemacht, dass einflussreiche Schlüsselfiguren zu informellen Gesprächen nach Österreich geholt wurden, um die offiziellen Friedensverhandlungen durch inoffizielle Dialoge zu unterstützen. Moderate konnten dabei – zunächst in Dialogen innerhalb ihrer eigenen Konfliktpartei – auch mit extremer eingestellten Personen ins Gespräch kommen, in Summe ergaben sich so nachhaltigere Lösungsperspektiven. Ein Regierungswechsel führte leider zurück zu Krieg und Massengewalt, der Konflikt blieb ungelöst, und solche Formen des Dialogs sind jetzt eine Zeit lang sehr schwierig, aber umso wichtiger geworden.“ Derzeit ist Wilfried Graf, Mitarbeiter am ZFF, der auch das „Institute for Integrative Conflict Transformation and Peacebuilding“ (IICP) gründete, in Israel/Palästina tätig.
Dialogische Konfliktbearbeitung wird es auch noch in den nächsten Jahren im ehemaligen Jugoslawien brauchen. Von großer Bedeutung für die zukünftige Entwicklung des Balkan-Raumes ist aber auch die Rolle der Europäischen Union in Südosteuropa: Welche Länder sind für die EU-Mitgliedschaft vorgesehen? Welche Länder wollen Teil der EU werden? Und wie verhalten sich die südosteuropäischen Staaten zueinander?
Im Rahmen der bevorstehenden Tagung von 29. November bis 1. Dezember 2011 werden die vergangenen Kriege am Balkan analysiert, die Rolle der EU diskutiert und zukünftige Friedensmaßnahmen ausgelotet. Das Programm wird von WissenschaftlerInnen, VertreterInnen von Friedens-NGOs, ehemaligen PolitikerInnen und SchriftstellerInnen gestaltet. Alle weiteren Informationen finden Sie unter www.aau.at/frieden.