Langer Atem auf der Reise zum Unternehmertum
Unternehmerinnen und Unternehmer mit pakistanischen, indischen und afghanischen Wurzeln stehen im Forschungsinteresse von Muhammad Zubair. Er untersucht den sozioökonomischen Impact von EntrepreneurInnen, die Migrationshintergrund haben. Dazu hat er sich auch selbst von Pakistan aus aufgemacht, um hierzulande zu forschen und zu arbeiten.
Muhammad Zubair arbeitete bei der United Bank of Pakistan, als ein Kunde mit dem Wunsch zu ihm kam, ein Konto in Euro zu eröffnen. Zwischen Bankberater und Kunde ergab sich ein interessantes Gespräch: Der Kunde berichtete, dass er seinen PhD in der österreichischen Stadt Graz macht und dort mit den Rahmenbedingungen sehr zufrieden sei. Zubair, aufgeschlossen und offen für neue Erfahrungen, begann ausgehend davon eine Perspektive für sich zu entwickeln. Vor vier Jahren kam er dann tatsächlich nach Graz, wo er zuerst drei Semester lang Deutsch lernte. Schließlich führte ihn sein Weg, ausgestattet mit guten Deutschkenntnissen, nach Klagenfurt zu Dieter Bögenhold an das Institut für Soziologie. „Professor Bögenhold ist ein sehr passionierter, enthusiastischer und über die Maßen hilfsbereiter Professor, der auch als solcher Anerkennung erfahren sollte”, so Zubair.
Zubair beschäftigt sich mit dem sozioökonomischen Einfluss von Menschen, die sich in ähnlicher Weise aufmachen, um in einer anderen Kultur Fuß zu fassen. Er untersucht Rahmenbedingungen und Effekte von Unternehmertum durch Immigrantinnen und Immigranten, insbesondere von Menschen aus Pakistan, Indien und Afghanistan. „Die Dynamiken sind bei Immigrantinnen und Immigranten ganz andere. In ein anderes Land zu gehen, bedeutet häufig ein Langzeitinvestment: Man lernt nicht Deutsch von einem Tag auf den anderen, sondern das dauert. Begleitet wird dieser Prozess oft von der Sorge, ob man dann auch tatsächlich eine Erwerbsarbeit findet. Viele Immigrantinnen und Immigranten sehen die Selbstständigkeit als Versuch, für sich selbst zu sorgen und damit dieser Angst zu begegnen. Später beschäftigen sie oft Familienmitglieder und Freunde in ihren Unternehmen“, erklärt Muhammad Zubair. Sein Langzeitinvestment in Österreich hat sich bisher gelohnt: Er arbeitet in einer Vollzeit-Anstellung als Betreuer von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in St. Stefan im Lavanttal. Gleichzeitig absolviert er, ebenfalls Vollzeit, sein Doktoratsstudium. Zubairs wissenschaftliche Leistungen finden internationale Anerkennung: So wurde kürzlich ein Vortrag von ihm für die „2017 Contemporary Issues Summit in Harvard“ akzeptiert, eine Veranstaltung, die ihre Beiträge streng kompetitiv auswählt. Dort präsentiert er Mitte März seine Ergebnisse. Ende 2018 will er die Beiträge für seine Dissertation fertiggestellt haben.
Dabei fördert Zubair durchaus erstaunliche Resultate zutage: Während die österreichische Unternehmerszene immer wieder die umfassende Bürokratie beklagt, scheint der Eindruck bei vielen Einwandererinnen und Einwanderern ein anderer zu sein. Zubair berichtet: „Ein Klagenfurter Shop-Besitzer, der als Flüchtling aus Afghanistan hierher kam, erzählte beispielsweise, dass die Unternehmensgründung sehr unkompliziert vonstattenging. Ein paar Formulare waren nötig, aber den Prozess schätzte er insgesamt als einfach ein, obwohl er als Flüchtling ohne Dokumente hierher kam.“ Hier ortet Muhammad Zubair auch einen entscheidenden Unterschied zwischen seinem Herkunftsland und der österreichischen Entrepreneurship-Landschaft: „In Pakistan, Indien und Afghanistan gibt es noch kaum Jungunternehmerförderung oder Inkubatoren. Meine Interviewpartner haben meist keine betriebswirtschaftliche Ausbildung. In Österreich helfen aber die Wirtschaftskammer und andere Services sehr gut mit Training, Kursen, Tipps und Tricks weiter. Im Gegensatz zu meiner Heimat ist es hier leichter, auch aus einfachen Verhältnissen stammend, ein Unternehmen zu gründen.“ Jüngst hat Zubair sein zweites Paper, das sich mit Entrepreneuren in Klagenfurt beschäftigt, abgeschlossen. In einem dritten Artikel möchte er nun einen Vergleich zwischen Entrepreneurship von ImmigrantInnen in Klagenfurt und Krakow, also in einer kleinen und in einer großen Stadt, herstellen und einen Gesamtblick auf die Lage in Österreich werfen.
Die von Muhammad Zubair untersuchten Unternehmen haben oft einen beachtlichen sozioökonomischen Einfluss auf die wirtschaftliche Landschaft in Österreich. Sie tragen aber auch häufig zu einer bunteren österreichischen Welt bei: Ob Restaurants, Lebensmittelgeschäfte oder Tätigkeiten als Social Entrepreneure; in welchen Sparten Immigrantinnen und Immigranten auch immer geschäftlich tätig werden, sie bieten dem hiesigen Markt zusätzliche kulturelle Vielfalt. „Ich bin ein Weltbürger“, sagt Muhammad Zubair von sich. Seine Pläne sind noch offen. Vielleicht ergibt sich die Gelegenheit einer Post-Doc-Stelle in der Wissenschaft. Vielleicht will er aber auch selbst als Social Entrepreneur tätig werden und für die Wasseraufbereitung in Pakistan arbeiten, „die es auszubauen gilt, um die Verbreitung vieler Krankheiten einzudämmen.“ „Ich will nicht Geld investieren, sondern Menschen dabei unterstützen, selbst tätig zu werden“, führt er aus. Das sei sein Traum.
Auf ein paar Worte mit … Muhammad Zubair
Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Wissenschaftler geworden wären?
Mich interessieren viele Berufe; aber wenn ich nicht Wissenschaftler geworden wäre, wäre ich ein Social Entrepreneur mit Fokus Bildung und Gesundheitsreformen geworden.
Verstehen Ihre Eltern, woran Sie arbeiten?
Ja, das tun sie. Sie sind es, die mir die Vision und die Motivation vermittelten, der zu werden, der ich heute bin.
Was machen Sie im Büro morgens als erstes?
Ich trinke einen Kaffee. Unter Forscherinnen und Forschern ist es üblich zu sagen, dass die Zahl der Publikationen proportional zur Anzahl der getrunkenen Kaffees ist.
Machen Sie richtig Urlaub? Ohne an Ihre Arbeit zu denken?
Nicht wirklich. Wissenschaft ist ein harter Beruf: Deine Gedanken suchen stets nach ungelösten Problemen und deren Lösungen, die manchmal auftauchen, wenn man sie am wenigsten erwartet. Forschung wurde Teil meines Alltagslebens. Als Forscherinnen und Forscher geben wir uns dieser Tatsache vollständig hin. So bleiben wir immer wachsam und leistungsfähig, was natürlich wichtig ist.
Was bringt Sie in Rage?
Negative Einstellungen. Wenn ich sehe, dass Menschen sich beschweren und andere für ihr faules und unverantwortliches Handeln verantwortlich machen.
Und was beruhigt Sie?
Motivierende Gespräche und die Gesellschaft von positiven Menschen
Wer ist für Sie die größte WissenschaftlerIn der Geschichte und warum?
Es gibt natürlich einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die großartige Beiträge geliefert haben. Ich betrachte Albert Einstein als den großartigsten unter ihnen allen, weil er sich auch für die Verbesserung unserer Gesellschaft eingesetzt hat. Persönlich mag ich diesen Ausspruch von ihm am liebsten: „Versuche nicht ein Mann des Erfolgs zu werden. Werde lieber ein Mann von Wert.“
Wovor fürchten Sie sich?
Ich strebe immer nach Höherem, und das macht mir manchmal Angst.
Worauf freuen Sie sich?
Die unendlichen Möglichkeiten, die in meinem Leben auf mich warten